Seit Studio Hamburg die Rechte an den Produktionen des ehemaligen DDR-Fernsehens hat, werden dessen – zum Teil sehr sehenswerte – Filme und Serien mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht. Das Drama um einen Spätheimkehrer „Die Heimkehr des Joachim Ott“ ist ein sehenswerter aber auch eigentümlicher Beitrag zur historischen Aufarbeitung der frühen Geschichte der DDR. Das liegt nicht nur daran, dass die Vorlage der Literaturverfilmung von einem ehemaligen DDR-Minister geschrieben wurde.
Obwohl der zweite Weltkrieg bereits 1945 beendet war, kehrten viele deutsche Soldaten erst zu Beginn der 1950er Jahre aus sowjetischer Gefangenschaft zurück. Viele solcher „Spätheimkehrer“ hatten nicht nur entbehrungsreiche Jahre hinter sich, sondern auch große Schwierigkeiten, sich in die gewandelte Gesellschaft in der alten Heimat einzufinden.
So auch Joachim Ott (Gunther Schoss), der zu seiner Frau Bettina (Renate Blume) zurückkehren will. Doch zufällig sieht er die Gattin in der Stadt, bemerkt, dass sie einen Sohn hat und auch mit einem anderen Mann zusammen ist. Der verhärmte Ott beschließt, dem Glück seiner Frau nicht im Wege zu stehen, und heuert als Hilfsarbeiter auf der Großbaustelle an, wo ein neuartiger Schmelzofen errichtet werden soll.
Doch auch Brigittes neuer Mann, Peter Marzell (Hanns-Jörn Weber) arbeitet als Vorarbeiter auf dieser Baustelle. Die junge DDR braucht dringend neue Schmelzöfen, um den enormen Bedarf an Eisen zu bedienen, den der Wiederaufbau einer funktionierenden Industrie braucht. Doch die Arbeiten an dem neuen Schmelzofen werden immer wieder sabotiert. Auch der Spätheimkehrer Ott gerät in den Verdacht ein Saboteur zu sein, zudem läuft ihm auch Brigitte zufällig auf der Baustelle über den Weg und stellt ihre Beziehung zu Marzell in Frage.
Es ist in der Rückschau schon ein wenig erstaunlich, dass in der DDR noch im Jahr 1979 ein Thema wie die späten Kriegsheimkehrer als dramatische TV-Unterhaltung verfilmt wurde. Man möchte meinen, zu jener Zeit wären andere Themen relevanter gewesen und ähnlich wie in der Bundesrepublik habe man die Folgen des Zweiten Weltkrieges für mehr oder minder aufgearbeitet erachtet.
Aber auch die gleichnamige Romanvorlage von Fritz Selbmann entstand nicht als unmittelbares Zeitzeugnis, wie so viele Romane der sozialistischen Literatur, sondern wurde erst 1962 geschrieben beziehungsweise veröffentlicht. Auch wenn der Titel „Die Heimkehr des Joachim Ott“ den Fokus auf die Geschichte des zurückkehrenden Gefangenen legt, so ist das Drama vor allem eine authentische und historische brauchbare Darstellung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und des Selbstverständnisses der frühen DDR. Eigentlich steht der erste Fünfjahresplan im Vordergrund des Films, der so notwendige Bau eines neuartigen Schmelzofens, der nicht so recht von der Stelle kommen will. Auch hapert es immer wieder an der wenig positiven Einstellung der Arbeiter selbst. Vorarbeiter Peter Marzell bekommt das als Invalide und Parteifunktionär, der früher selbst an den Hochöfen gestanden hat, deutlich zu spüren.
Neben diesen großen gesellschaftlichen Themen verblasst das Beziehungsdrama zwischen Peter, Brigitte und Joachim zusehends. Aber die dramaturgische Konstellation bietet auch die Möglichkeit sich mit der Nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander zu setzen. Anders als in der von dem Westalliierten geprägten Bundesrepublik Deutschland, kehrten die deutschen Soldaten aus der sowjetischen Gefangenschaft in eine DDR zurück, die die Siegermacht nun als Freud betrachtete und schon grundsätzlich davon ausging, dass der deutsche Soldat, der so lange in Gefangenschaft gesessen hat, dies auch verdient hätte. Im Fall von Ott soll dessen Einheit ein ukrainisches Dorf niedergemetzelt haben. Ott selbst bestreitet allerdings sein Mittun. Der sowieso schon entfremdete Heimkehrer stößt dadurch zudem noch auf Ressentiments und wird schnell verdächtigt noch immer der alten Nazi-Ideologie anzuhängen. In Film und Buch wird das Thema in Form der Industriesabotage angesprochen. Das ist schon spannend zu sehen.
Noch interessanter wird das ganze Fernsehgeschehen, wenn man noch um die Biografie des Autors Fritz Selbmann weiß, der während des dritten Reiches bereits Kommunist war, Konzentrationslager überlebt hat und in den Anfangsjahren der DDR selbst Minister war. Während des Arbeiteraufstandes 1953 war er einer der weniger Regierungsmitglieder, die sich der aufgewühlten Arbeiterschaft auch in Person gestellt haben. Ab 1958 war Selbmann dem damaligen Ministerpräsidenten Walter Ulbrich nicht mehr linientreu genug und wurde seiner politischen Ämter enthoben. Daraufhin begann Fritz Selbmann eine Karriere als Schriftsteller. Er verstarb 1975, hatte im Jahr zuvor seine Autobiografie „Acht Jahre und ein Tag“ beendet, die aber zum Zeitpunkt seines Todes noch bei der Zensurbehörde der DDR lag. Das Buch kam erst ein Vierteljahrhundert später auf den Markt.
Aber in der Tatsache, dass „Die Heimkehr des Joachim Ott“ kein literarischer Augenzeugenbericht ist, sondern von einem Zeitzeugen später literarisch bearbeitet wurde, liegt auch die große Stärke von Roman und Film. Zusammenhänge werden besser sichtbar und stimmiger dargestellt. Heute hätte man die Geschichte wahrscheinlich als actionreichen Wirtschaftsthriller inszeniert, in dem die Dreiecks-Beziehung zwischen den Protagonisten und der Frau nur für eine zusätzlichen Aspekt gesorgt hätte.
Regisseur Edgar Kaufmann, Dramaturg Rolf Gumlich und Kameramann Rolf Sohre liefern mit „Die Heimkehr des Joachim Ott“ ein solides TV-Drama ab, das handwerklich nicht herausragt, aber durch die Besetzung zu überzeugen weiß. Wer sich auf unterhaltsame Weise mit der jüngeren Deutschen Geschichte beschäftigen möchte, ist mit „Die Rückkehr des Joachim Ott“ sehr gut bedient.
Film-Wertung: (7 / 10)
Die Heimkehr des Joachim Ott
Genre: Drama, Historisches
Länge: 91 Minuten, DDR, 1979
Regisseur: Edgar Kaufmann
Darsteller: Gunter Schoß, Renate Blume, Hanns-Jörn Weber, Eberhard Mellies, Gerry Wolff
Romanvorlage: Fritz Selbmann
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: : Studio Hamburg Enterprises
TV-Erstausstrahlung (DDR): 20.04.1980
DVD-VÖ: 16. Juni 2017