Endlich geht es mit Terry Moores Mystery-Comic-Serie „Rachel Rising“ auch bei Schreiber & Leser weiter. Endlich, weil der vorangegangenen Sammelband doch mit einem ziemlichen Cliffhanger endete. Ich gehe an dieser Stelle mal davon aus, dass Interessierte den auf dem Stand der Handlung sind, ansonsten empfiehlt es sich mit der Vorstellung von „Rachel Rising 1“ zu beginnen. Die Serie ist absolut zu empfehlen. In „Wintersterben“ drängt die Vergangenheit mit Macht in die Gegenwart der kleinen Stadt Manson und wenn es denn so etwas wie ein übergeordnetes Thema dieser Ausgabe gibt, dann ist das die Seelenwanderung. Aber Terry Moore macht daraus mit seiner unnachahmlichen Art mal wieder etwas sehr Besonderes.
Gerade erst hat Krankenpfleger Earl Tante Johnny, ihre Lebensgefährtin Carol, sowie Rachel und ihre ebenfalls untote beste Freundin Jet reglos in Johnnys Esszimmer gefunden. Und bevor zumindest Rachel und Jet das Bewusstsein wiedererlangen, macht die Story einen Abstecher ins 17. Jahrhundert, wo die beiden jungen Leute Bryn Erin und James in die Wirren der Hexenjagd geraten.
„Wir sind unsere eigenen Teufel. Und wir machen die Welt zur Hölle“ (Oscar Wilde)
Jetzt wacht Bryn Erin in Rachels Körper und James in Jets auf. Der Junge ist nicht nur hochgradig verwirrt, weil er auf einmal Brüste hat, den eigentlich ist er gerade erschossen worden. Derweil ist Zoe immer noch in der Gesellschaft des Paters, in dem sich der böse Geist Malus manifestiert hat. Malus braucht Zoe aus irgendeinem Grund, den er nicht so recht verraten will, aber ein altes Messer vertraut er ihr schon an. Aber Zoe hat andere Pläne.
Während es in Manson unablässig weiter schneit, setzen Rachel und Jet alles daran, Johnny wieder zum Leben zu erwecken. Doktor Siemen bereite eine Bluttransfusion vor und Johnnys Seele ist derweil vorerst in Hündin Priscilla übergegangen. Die hysterische Hündin wiederzufinden bleibt Earl überlassen, der absolut nicht glücklich damit ist, dass ein Kerl von Jet Besitz ergriffen hat.
„Southern trees bear a strange fruit…” (Billie Holiday)
Es tut sich als einiges unter der inzwischen fast meterhohen Schneedrecke der neu-englischen Kleinstadt Manson und Autor und Zeichner Terry Moore versorgt den (inzwischen süchtigen) Leser mit überraschend viel Action. Da muss man dann aufgrund der Schwarzweiß-Optik und des ewigen Schnees auch gerne zweimal hinschauen, bevor man die Pointen auch mitkriegt. Überhaupt geht es in „Wintersterben“ und bissiger zu, als in den vorangegangenen Teilen (auch wenn Duke das sicher anders sieht). Dass es sich dabei um rabenschwarzen Humor handelt, der aber dennoch sehr menschlich und nahe an den Figuren bleibt, versteht sich von selbst. Zoe mit dem Killerinstinkt rückt wieder etwas mehr in den Mittelpunkt der Story und ihre und Rachels Wege kreuzen sich erneut. Das sorgt für einige erstaunliche Wendungen in dem Rachefeldzug der Hexe Lilith.
An dieser Stelle ist außerdem mal ein dickes Lob für die großartige Übersetzung von Resel Rebiersch fällig, die seit Jahren Comics übersetzt (unter anderem „Moebius Collection“, „Djinn“, „Der Kleine Prinz“ als Comicserie) und in „Rachel Rising“ einen wirklich tolle Arbeit macht. Es ist schon eine hohe Kunst, den Sprachgebrauch unterschiedlicher Jahrhunderte merklich zu differenzieren, ohne den Lesefluss ins Stocken zu bringen. Vor allem aber sind der trockene Humor und der sparsame Wortwitz außerordentlich treffsicher und pointiert.
Auch im „Wintersterben“, dem vierten Sammelband von „Rachel Rising“ zaubert Autor und Zeichner Terry Moore wieder überraschende Wendungen aus dem Hut. Mit Liebe zum absurden Detail, das sich unter der scheinbar alltäglichen (und verschneiten) Oberfläche versteckt führt Moore die Mystery-Serie stets auf Wegen, die im finsteren Dickicht neben der Hauptstraße verlaufen. Moore schreit der kleine Häwelmann.
Comic-Wertung: (8,5 / 10)
Rachel Rising – Wintersterben
OT: Rachel Rising – Winter Graves, Rachel Rising US #19- 24, Abstract Studios
Genre: Horror, Mystery, Thriller
Autor & Zeichner: Terry Moore
Übersetzung: Resel Rebiersch
Verlag: Schreiber & Leser, Klapp-Broschur, 128 Seiten
VÖ: Juli 2015