Freunden härterer Musik stehen umtriebige Wochen ins Haus: Nach Mogwai legen nun auch Long Distance Calling eine neue Scheibe vor und gehen auf Tour. Im Kino gibt es ab heute 18 Oscar-Nominierungen zu bestaunen und live geht einiges. Nur der DVD-Sektor schwächelt in dieser Woche und hat außer der „Wall Steet“-Fortsetzung nicht viel zu bieten. Hier sind die Empfehlungen:
LIVE: Trotz des Bühnenübergewichts der hart rockenden Fraktion kommt der erste Live-Tipp aus der Jazz-Ecke: Hamburgs Ausnahme-Drummer Tarek Hosseini ist mit erweiterter Trio-Formation am 22. Februar im Hafenbahnhof zu sehen. In der Veranstaltungsreihe Jazzraum, die immer montags für kleine aber feine Jazz-Events sorgt, ist Husseini mit seinem Trio-Projekt, bestehend aus Phillip Steen (Bass)und Boris Netsvetaev (Piano), zu sehen. Verstärkt werden die drei von Saxophonist Ralph Reichert. Als Four-Piece war das lange nicht mehr zu genießen und sollte bei Improvisationsfreunden für Herzklopfen sorgen.
Das Konzert der Sludge-Metaller Kylesa am 18. Februar ist nun doch, wie gerüchteweise schon seit Wochen kusierte, vom Kulturhaus 73 ins Grünspan verlegt worden und sorgt dort für atmosphärischen, harten Rock. An dieser Stelle ist jetzt aber ein kleiner Rüffel für die Internet-Seiten der Hamburger Clubs angebracht. Bis vorgestern wusste noch keiner irgendwas bezüglich des Kylesa-Auftritts und selbst am Telefon gab’s ne Falschauskunft. Auf der Hafenbahnhof-Homepage den Gig von Tarek Hosseini zu finden, ist ebenfalls Surfen für Fortgeschrittenen (versteckt sich unter der Rubrik Feste Veranstaltungen). Ist ja schön, wenn man weiß, wo man suchen muss, besucherfreundlich geht anders. Aktualität würde auch diversen anderen Internetauftritten, auch von Künstlern, nicht schaden.
Nun aber zurück zum Thema: Das Happening der Woche sind die instrumentalen Post-Rocker von Long Distance Calling: Das deutsche Quintett hat das musikalische Spektrum inzwischen so erweitert, dass den Rockern das Post abgeht; live geht dann die Post ab (Sorry für den Kalauer). Anfangs im Visions mal so schön als „Kaminmusik für Geübte“ beschrieben, legen Long Distance Calling ihr drittes Album vor (dazu später mehr) und gehen auf Tour (Termine unten): Auftakt am 18. Februar im heimischen Münster, in Hamburg dann am 20. Februar im Knust zu bestaunen und zu genießen.
KINO: Gleich zweimal kommt in dieser Woche großes Hollywood-Kino mit britischem Einschlag auf die Leinwand. Der britische Regisseur Danny Boyle („Slumdog Millionaire“, Trainspotting“) hat mit „127 Hours“ die wahre Geschichte des Bergsteigers Aron Ralston atemberaubend spannend verfilmt. Ralston (James Franco) gerät während einer einsamen Klettertour in Lebensgefahr. Er kann sich nur retten, indem er sich die Hand abschneidet. Trailer auf der Film-Homepage. Nominiert für sechs Oscars.
Ein ganzes Dutzend Oscar-Nominierungen kann das subtile Historiendrama „The King’s Speech“ aufweisen und Hauptdarsteller Colin Firth als Prinz Albert, der unfreiwillig und stotternd englischer Thronfolger wird, gilt als heißester, ja fast sicherer Kandidat für den Oscar, nachdem er 2010 (Für „A Single Man“) hinter Jeff Bridges zurückstecken musste. Ein grandioses Psychogramm mit toller Besetzung (u.a. Helena Bonham Carter, Derek Jakobi und Geoffrey Rush). Den Trailer gibt’s auf der Film-Homepage.
DVD: Oliver Stones „Geld schläft nicht“, die Fortsetzung seines Klassikers „Wall Street“, hätte psychologisch etwas ausgefeilter sein können. Statt dessen inszeniert Stone die Rückkehr des Brokers Gordon Gekko (Michael Douglas) aus dem Knast etwas aktionlastig, aber dennoch sehenswert, was auch an einem überzeugenden Shia LaBeouf liegt.
MUSIK: Wie schon erwähnt erschient dieser Tage das „titellose“ dritte Album von Long Distance Calling und begeistert mit Gitarrenmusik jenseits von Genregrenzen. So hört sich intelligente Instrumentalmusik an. Der gesangliche Gastauftritt meines Langzeithelden John Bush (Armored Saint, Anthrax) ist da nur das Sahnehäubchen. Die limitierte Erstauflage erscheint als Doppel-CD mit dem Livemitschnitt vom 2010er Roadburn-Auftritt. Klasse Scheibe und uneingeschränkte Empfehlung.
Stilwechsel komplett, nicht nur bei den Tipps, sondern auch als Motto des eigentlich ganz gelungenen Remix-Albums „We’re New Here“, auf dem sich Jamie Smith (alias Jamie XX) von The XX das hochgelobte Comeback von Gil Scott-Heron „I’m New Here“ vornimmt. Der Gesang beziehungsweise Spechgesang von Scott-Heron ist dabei das Einzige, was nicht nach Herzenslust umgemodelt wird. Ein Experiment für offene Ohren.
Auch Greg Dulli (of Afghan Whigs Fame) ist wieder da: Mit dem dritten Album der Twilight Singers. „Dynamite Steps“ heißt der Nachfolger zu „Powder Burns“ (2006) und liefert wieder mal alles, was den unverwechselbaren Sound von Dullis Band ausmacht: Songs aus dem Dämmerlicht mit einem Hang zur Dunkelheit. Der Name ist Programm. Ich bin sowieso schon Fan. Wer reinhören mag, findet den Album-Stream auf der Seite des Spin Magazins. Im März gehen die Twilight Singers auf Tour, haben aber in Deutschland nur einen Köln-Gig im Angebot. Schade eigentlich, ich hätte Herrn Dulli nach den Gutter Twins gerne mal wieder auf der Bühne gesehen. Aber man kann nicht immer alles haben.
Kommt sicher durch die Woche.
Hier die Tour-Daten von Long Distance Calling
18.02. Münster/Skaters Palace
19.02. Köln/Underground
20.02. Hamburg/Knust
21.02. Dresden/Beatpol
22.02. München/Hansa 39
23.02. Nancy/ Le Quai Son
24.02. Southampton/Joiners
25.02. Cardiff/Buffalo Bar
26.02. Nottingham/Rock City
27.02. Manchester/Moho Live
28.02. Sheffield/Academy
1.03. Glasgow/Stereo
2.03. Newcastle/Academy
3.03. London/Barfly