Jeder stirbt für sich allein: Grußkarten gegen den Terror

Jeder stirbt für sich allein / Alone in BerlinHierzulande war der manische Vielschreiber Hans Fallada bereits ziemlich in Vergessenheit geraten, als die englische Neuübersetzung des Romans „Jeder stirbt für sich allein“ vor einigen Jahren in den USA einen kleinen literarischen Hype auslöste. Nun kommt am 17.11.2016 eine weitere Verfilmung des Romans, der von einen Akt zivilen Ungehorsams im Dritten Reich erzählt, mit Emma Thompson und Brendan Gleeson und vielen deutschen Darstellern prominent besetzt in die Kinos.

02_x-verleih_jederstirbtfuersichallein_brendan-gleeson-und-emma-thompson_fotograf-marcel-hartmann-ct-1Zu dem Zeitpunkt, als das Berliner Arbeiterehepaar Otto (Brendan Gleeson) und Anna (EmmaThompson) Quangel 1940 erfährt, dass der einzige Sohn an der Westfront gefallen ist, bricht für die beiden eher ruhigen Menschen eine Welt zusammen. Otto fühlt sich von Führer belogen und betrogen und beginnt auf ganz eigene Weise Systemkritik zu üben und gegen den Krieg zu agitieren. Das Ehepaar verteilt in Berlin Postkarten mit schlichten aber aufklärerischen Botschaften gegen Hitler und den Krieg. Das bleibt nicht lange unentdeckt und die Kriminalpolizei beginnt wegen der moralzersetzenden, mysteriösen Karten zu ermitteln die überall in der Stadt auftauchen. Kommissar Escherich (Daniel Brühl) bekommt sehr schnell Druck von SS-Offizier Prall (Mikael Persbrandt), die Sache gefälligst umgehend aufzuklären.

Jeder stirbt für sich allein / Alone in BerlinDiese Geschichte vom „kleinen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime“ beruht auf einer wahren Begebenheit. Dem Autor Hans Fallada wurden die Akten des Ehepaares Otto und Elise  Hampel zugänglich gemacht, die wegen ihrer Aktion denunziert und zum Tode verurteilt wurden. 1946 schrieb Fallada die fiktionalisierte Geschichte nieder. Viele seiner zumeist umfangreichen Romane sind für TV und Kino adaptiert worden, so etwa „Kleinere Mann – Was nun?“,  „Ein Mann will nach oben“ oder auch „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“. Auch der Stoff von „Jeder Stirbt für sich allein“ bereits mehrere Male für TV und Kino adaptiert worden. Für Filmschafffende stellt sich also die Frage, welche Aspekte des Romans nun neu ausgeleuchtet werden sollen?

Jeder stirbt für sich allein / Alone in BerlinDas Drehbuch von Regisseur Vincent Perez mit den Koautoren Bettine und Achim von Borries („Die Liebe in Gedanken“, „Goodbye Lenin“) konzentriert sich vor allem auf die Kerngeschichte des Ehepaares Qunangel und einige der Bewohner desselben Hauses. Zudem treibt der Kriminalfall die Handlung voran. Doch die Ermittlungen in solider Krimi-Manier lenken eher vom Melodram des Ehepaares ab. Daniel Brühl gibt zwar einen überzeugend getriebenen Ermittler, der auch von seinem Gewissen getrieben wird, doch die Polizeiarbeit dient im Wesentlichen dazu, die grundsätzliche Atmosphäre vom Unterdrückung und Misstrauen in dieser Zeit einzufangen.

Erstaunlicher Weise fehlen in der Neuverfilmung von „Jeder stribt für sich allein“ fast gänzlich die Reaktionen der Menschen auf die ausgelegten Kartenbotschaften, die bei Fallada durchaus wichtig sind. Auch wird die Hausgemeinschaft nur exemplarisch angerissen, während dieses Milieu im roman ganze Nebenhandlungen befeuert. Aber Fallada’sche Milieuschilderungen gab es in den Verfilmungen ja bereits etliche.  Gerade diese Reduktionen sorgen aber auch dafür, dass vincent Perez‘ zwar eine plausible, aber keine überbordende Verfilmung von „Jeder stirbt fürsich allein abliefert.

Jeder stirbt für sich allein / Alone in BerlinAls historisches Melodram überzeugt die aktuelle Verfilmung von „Jeder stirbt für sich allein“. Vieles   wirkt zwar sehr getragen und die großartigen Hauptdarsteller bekommen in ihrem zurückhaltenden spiel selten Gelegenheit bekommen, ihr Können zu zeigen. Die Kulisse, die teilweise im Ostdeutschen  Görlitz gefilmt wurde, wirkt bisweilen zu überladen und zu geleckt.  Typisches Ausstattungskino der Nazizeit. Gedreht wurde auf Englisch, weshalb die deutschen Darsteller sich für die deutsche Sprachfassung alles selbst synchronisieren mussten. Bei einigen wirkt das aus mangelnder Erfahrung etwas hölzern.

Regisseur Vincent Perez hat eine durchaus sehenswerte Verfilmung von Hans Falladas Roman „Jeder Stirbt für sich allein“ auf die Beine gestellt. Allerdings steht die Ausstattungsoptik der erzählerischen Dynamik bisweilen im Weg. Die Hauptdarsteller wissen das allerdings wieder auszugleichen.

Film-Wertung:6 out of 10 stars (6 / 10)

x-verleih_jederstirbtfuersichallein_plakatJeder stirbt für sich allein
OT: „Alone in Berlin“
Genre: Historisches, Drama,
Länge: 103 Minuten, GB/D, 2016
Regie: Vincent Perez
Romanvorlage: Hans Fallada
Darsteller: Brendan Gleeson, Daniel Brühl, Mikael Persbrandt, Emma Thompson
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: X-Verleih, Warner
Kinostart: 17.11.2016

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