Top 5: Deutsche Filme 2011

wickie-2Der deutsche Film gerät ja gerne in die Kritik, gerade im eigenen Land. Und es gehört irgendwie zum guten, kritischen Ton, an dem herumzumäkeln, was in Deutschland an Kultur geschaffen wird. Das zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und alle Sparten kulturellen Schaffens. Der russische Regisseur Alexander Sokurow verfilmt den „Faust“ auf sehr eigenwillige Weise und hält dem Kulturvolk der Deutschen vor, dass es sein weltkulturell wichtiges Erbe mit schamloser Ignoranz verachten würde. Das mag übertrieben klingen, aber in 2011 hat sich der deutsche Film wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.

So verwundert auch nicht, dass die deutschen oder deutschsprachigen Beiträge zur Oscar-Verleihung nicht mit Preisen geehrt wurden, obwohl sie durchaus sehenswert sind und wohltuend aus der Durchschnittlichkeit deutschen Filmschaffens herausstachen. Auch auf der Berlinale 2012 wurde der deutsche Film, wie das so üblich ist, mehrfach in Frage gestellt. War da tatsächlich seit Fassbinder nichts von Geltung dabei? Gibt es in Deutschland keine Filmkultur? Können wir nur Fernsehen und kein Kino?

Vollmond_cLaurent-PhilippeStreitbare Thesen, die sich mit meinem Gesamteindruck des deutschen Kinofilms im vergangenen Jahr teilweise decken. Selbstredend gibt es immer Ausnahmen und auch die Filmproduktion anderer Länder bleibt zum überwiegenden Teil im rein unterhaltenden Mittelmaß stecken, nur kommen diese Filme dann nicht in unsere Kinos.

Beinahe jeder deutsche Kinofilm, den ich gesehen habe wurde auch von einer Rundfunkanstalt koproduziert. Das wäre an sich nichts Beklagenswertes, wenn man vielen der Filme nicht ihre TV-Tauglichkeit ansehen würde und sich im Nachhinein fragen würde, warum das denn nun auch auf der großen Kinoleinwand präsentiert werden musste. Der russische Regisseur Eisenstein hat mal geäußert, es mache keinen Unterschied, welchem Genre ein Film zugerechnet wird, ob Doku oder Drama, es gäbe nur gute und schlechte Filme. Insofern wäre die TV-Tauglichkeit und das mangelnde Kinoformat also irrelevant, oder ein von mir gebrauchtes Synonym für „schlechte“ Filme. Aber genug von der Lage der Filmnation.

Hier kommen die Top 5 des deutschen Films 2011:

5. Die Vaterlosen

plakat_dievaterlosen_berlinale_largeStreng genommen ist Marie Kreuzers Familiendrama „Die Vaterlosen“ eine österreichische Versuchsanordnung. Der Spielfilmerstling der Regisseurin untersucht die emotionalen Verstrickungen von Kindern, die in einer Kommune aufwachsen und sich anlässlich des Todes des Vaters alle wiedertreffen. Vor allem das großartige Ensemble verleiht diesem Drama seine Tiefe, doch auch das Drehbuch kann überzeugen und die Auseinandersetzung mit dem Lebensstil der 68er auf familiärer Ebene ist mehr als gelungen.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

4. Hell

Hell-PlakatIn Deutschland einen Genrefilm zu machen und dann noch einen post-apokalyptischen Horrorthriller zeigt, dass man sich hierzulande etwas traut. „Hell“, das Debut von Tim Fehlbaum, mag zwar storytechnisch nicht sonderlich originell sein mit seiner Überlebensgeschichte-Geschichte in einer vertrockneten Welt, aber im Unterschied zu beispielsweise der Verfilmung von McCarthys „The Road“ ist „Hell“ nicht nur stilsicher und spannend, sondern auch ziemlich fesselnd ausgefallen. Dem internationalen Vergleich hält „Hell“ (hier zur Langkritik) locker stand. Ein Lichtblick ohne Sonnenbrille.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

 3.Liebesjahre

liebesjahreDa mäkelt man die ganze Zeit an der Fernsehformatigkeit des deutschen Films herum und dann ist ausgerechnet ein TV-Film ein unerwarteter filmischer Höhepunkt des vergangenen Jahres. Regisseur Matti Geschonneck entwickelt mit einer großartigen Viererbesetzung aus Janine Kunzendorf, Iris Berben, Peter Simonischek und Axel Milberg ein bissiges und erstaunlich tiefschürfendes und bisweilen sehr witziges Drama um ein seit langem geschiedenes Paar, dass nun das Haus verkaufen will und sich zu diesem Zweck mit den Lebenspartnern dort einfindet. Der Lokaltermin entwickelt sich allerdings nicht so friedlich wie erhofft. Zum großen Glück des Zuschauers: Was sich nun an Drama und Witz entfaltet, könnte neben „Polanskis „Der Gott des Gemetzels“ ganz wunderbar bestehen und ist eine der Sternstunden deutschen Fernsehschaffens des Jahres 2011. Zu Recht gab es dafür auch den Preis als bester Fernsehfilm.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

2. Lollipop Monster

lollipopmonster300Was für ein Paukenschlag: Ohne Rücksicht auf Verluste kommt die Geschichte der beiden Teenagerinnen Oona und Ariane daher, die nichts gemeinsam haben, als ihre Liebe zur Musik und ein kaputtes Elternhaus. Ziska Riemanns Film sprüht nur so vor Riot-Grrl-Attitüde und pendelt höchst unterhaltsam und mit vielen optischen Gimmicks zwischen jugendlicher „No Future“-Einstellung und unendlicher Lebensgier. Hinzu kommt wie bei allen großen Filmen, dass die Darsteller unglaublich aufspielen. Allen voran die beiden Hauptdarstellerinnen Sarah Horvath („Songs of Love and Hate“) und Jella Haase („Kriegerin“). Letztere sollte mit ihren beiden, jeweils mit dem Bayrischen Darstellernachwuchspreis ausgezeichneten, Rollen den Sprung in die erste Liga geschafft haben. Doch die Basis dieser darstellerischen Tour de Force liegt immer auch im Drehbuch, Das ist für einheimische Filmverhältnisse gewagt und aufregend und macht auf morbide Art und Weise auch extremen Spaß.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

1. Pina

PINA_poster RZ_Layout 1Wim Wenders ist ein deutscher Filmmacher von internationalem Renommee. Auch als Dokumentarfilmer genießt der Regisseur und Autor einiges Ansehen, doch mit „Pina“ hat sich Wenders einmal mehr selbst übertroffen. Ursprünglich als Film mit der Ikone des modernen Tanztheaters, Pina Bausch, zusammen geplant, wurde aus dem lange geplanten Filmprojekt nach deren Tod eine Dokumentation für Pina. Um die ganze Würde und Anmut des Tanzes auch auf der Leinwand abbilden zu können, drehte Wenders in 3D und tritt damit den Beweis an, dass die stereoskopische Technik keineswegs nur eine Spielerei technikverliebter Horrorfans ist, um Äxte aus der Leinwand fliegen zu lassen, sondern dem Medium Film eine zusätzliche Erkenntnisdimension eröffnen kann. Die Tanzszenen sind auf der Leinwand von atemberaubender Intensität und Lebendigkeit. Der Film ist als Hommage angelegt und schafft der großen Pina Bausch ein grandioses filmisches Denkmal.
Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)