Stockholm Requiem: Eine düstere Job-Prognose

Die Deutschen sind ein krimiverrücktes Volk. Beinahe jeden Monat wird eine neue Thriller-Sensations-Sau durchs Dorf gejagt und dann bei nächster Gelegenheit auf dem Grabbeltisch verramscht. Das gilt für Bücher genauso wie für Filme und Serien. Angesichts der schieren Menge ist einerseits für jeden etwas dabei, andererseits hat sich längst ein stilistischer wie thematischer Einheitsbrei eingestellt. Das einst stolze Label „Nordic Noir“ kann nur noch selten mit echten Genre-Perlen punkten. Die vom ZDF koproduzierte Thriller-Serie „Stockholm Requiem“ nach Romanen der Autorin Kristina Ohlsson macht da keine Ausnahme und liefert „nur“ solide Thriller-Kost.

Eine liturgische Messe, die für Verstorbene gelesen wird, als Titel für eine Thrille-Serie zu nehmen ist schon eine spezielle Angelegenheit. Die christlich-religiösen Aspekte des Requiems treten dabei in den Hintergrund, vielmehr mögen die Serien-Macher auf die musikalische Form abzielen, die zur Untermalung der Totenmessen komponiert wurde. Beinahe jeder klassische Komponist hat auch ein Requiem im Repertoire und hier kommt Frederika Bergman ins Spiel (weder verwandt noch verschwägert mit Sebastian Bergman, dem großen, allseits beliebten misanthropische Grantler aus der Feder der Herren Hjort und Rosenfeldt).

Frederika Bergmann (Liv Mjönes) war bis zu einem schweren Unfall eine erfolgreiche klassische Violinistin und ist immer noch mit dem deutlich älteren Dirigenten Spencer Lagergren (Mikael Birkkjær) in einer Beziehung. Allerdings hat die emanzipierte Frau den Job gewechselt und ist als studierte Kriminologin und Juristin nun zivile Beraterin einer Sondertruppe der Stockholmer Polizei. Die beiden Kollegen Alex Recht (Jonas Karlson) und Peder Rhyd (Alexej Madelov) sind alles andere als begeistert und extrem abweisend. Aber wer mit folgender Lobhudelei an seinem neuen Arbeitsplatz vorgestellt wird, braucht eigentlich auch keine Feinde mehr:

„Das hier ist unsere neue zivile Fachkraft Bergman. Sie hat einen Master in Kriminologie und Rechtswissenschaften. Sie ist also gelinde gesagt hochqualifiziert. Sie hat auf jeden Fall die mit Abstand höchste Qualifikation von Euch allen hier zusammen.“

So, ich breche das Herunternudeln der Inhaltsangaben der einzelnen Fälle mal ab (Kann man im Klappentext der ersten fünf Romane lesen), da sich in dem Zitat bereits überdeutlich einer der Knackpunkte der Serie „Stockholm Requiem“ zeigt. Die Figurenzeichnung ist mit dem Holzhammer angelegt und der Mobbing-Aspekt gegenüber der Neuen hat dann auch noch eine dermaßen plumpe, chauvinistische Note. Da muss sich die Neue einiges an Mansplaining (Modewort dafür, dass Männer einem auf herablassende Weise die Welt erklären) gefallen lassen.

Ebenso hahnebüchen ist die Art und Weise, wie die männlichen Kollegen so ermitteln: Oberflächlich, immer der ersten Spur folgend, Kurzschlüsse ziehend und einfach rechthaberisch. Sicher, das dient dramaturgisch dazu, die Neue in Szene zu setzen, nur ist es einfach nicht gerade subtil gemacht und geht einem schon nach kurzer Zeit etwas auf die Nerven.

Neue Serien-Religion ist, dass sich Figuren entwickeln müssen und die Schreiber von „Stockholm Requiem“ klotzen ganz schön mit privaten Entwicklungen und rabiater Team-Dynamik. Gegen Ende wirkt das zunehmend abstrus. Das mag dem Fakt geschuldet sein, dass die Fälle nach den Büchern jeweils ein Jahr auseinander liegen, aber die Entwicklungen sind dann schon recht krude. An dieser Stelle reden wir ausschließlich über die Verfilmungen, nicht aber über die Romanvorlagen, die ich nicht kenne. Ich stelle mir aber vor, das Lesevergnügen mag größer sein als der Fernsehspaß, denn sonst hätte der Markt das sicher schon zurechtgeruckelt und keine fünf Fortsetzungen der „Frederika Bergman“-Reihe zugelassen.

Filmisch gibt es an der Serie „Stockholm Requiem“ wenig zu kritisieren. Der düstere kaltblaue Ton stimmt ebenso wie die Schauwerte der Locations und der Spannungsaufbau der einzelnen Fälle. Es fehlen auch keine bockstarken Nachtaufnahmen der Stadt, und keine hintergründig perversen Täter, alles gerade so inszeniert, wie es das „Nordic Noir“-Seminar vorgibt und wie es der deutsche Krimizuschauer beim ZDF gewohnt ist… und auch gerne mag, das soll an dieser Stelle ja auch mal erwähnt werden.

Serien-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Stockholm Requiem – Staffel 1
OT: Sthlm Rekviem
Genre: Thriller, TV-Serie
Länge: 450 Minuten (5 x 90), S/D, 2019
Vorlage: „Frederika Bergmann“-Reihe von Kristina Ohlsson
Regie: Karin Fahlén, Lisa Ohlin
Drehbücher Karin Fahlén, Jonas Karlson, Peder Gustafsson et al.
Darsteller: Liv Mjönes, Jonas Karlson, Alexej Madelov, Mikael Birkkjær
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
DVD-VÖ: 24.05.2019

Stockholm Requiem beim ZDF