Bordertown – Staffel 1: Seen, Wälder & Verbrechen

In der finnischen TV-Krimi-Serie “Bordertown”, die beim Streaming-Dienst Netflix zu weltweitem Ruhm gekommen ist, ist die namensgebende Grenze („Border“) auch inhaltlich Programm. Immer wieder zeigen die düsteren Verbrechen Grenzen auf, weisen auf tiefe menschliche Abgründe und stetig abseitigere Vorlieben hin. Zum Glück ist in der Grenzstadt Lapeenranta ein neuer Sheriff an der Arbeit. Kari Sorjonen ist ebenso eigenwillig wie erfolgreich. Aber in der finnischen Grenzstadt sind noch ganz andere Leute und Interessen am Werk. Die erste Staffel der finnischen Erfolgsserie im Stil düsterer „Nordic Noir“-Formate ist nun bei Eurovideo für das Home Entertainment als DVD und Blu-ray erschienen.

Polizeiermittler Kari Sorjonen (Ville Virtanen) will beruflich kurzer treten und so lässt er sich aus der finnischen Hauptstadt Helsinki in das kleine Grenzstädtchen Lapeenranta versetzen. Hier wird gerade mit Finanzmitteln der EU eine spezielle Sondereinheit für Gewaltverbrechen aufgebaut. Sorjonens Chefin Taina Henttunen (Kristiina Halttu) erhofft sich schnelle und spektakuläre Erfolge von dem neuen Ermittler, dessen Ruf ihm bereits vorausgeeilt ist. Doch mit dem Team aus zwei lokalen Polizisten ist Kari Sorjonen nicht sonderlich zufrieden. Der Ermittler nimmt die Kollegen aber in Kauf, denn eigentlich ist die Familie Sorjonen in die Grenzstadt gezogen, weil Karis Frau Pauliina (Matleena Kuusniemi) gerade eine Krebserkrankung überstanden hat und wieder in die Beschaulichkeit ihrer Heimatstadt zurückwollte. Die Teenager-Tochter Janina (Olivia Ainali) will vor allem wieder mehr Kontakt zu ihren Eltern, lebt sich aber schnell ein.

Doch es kommt anders, als Kari und Pauliina sich das erhofft haben: Statt in der Provinz eine ruhig Kugel zu schieben, stellt sich die abgeschiedene ländliche Idylle und vor allem die Nähe zu Russland als perfekte Tarnung für brutale und organisierte Kriminalität heraus. Immer wieder haben es Kari und die Sondereinheit mit perfiden und perversen Verbrechen zu tun. Bei diesen Ermittlungen kommt Kari seine besondere Methode, Fakten zu speichern und in Beziehung zu setzen, zu gute. Sich einen Gedächtnispalast zu errichten, nutzte beispielsweise auch der weltberühmte Detektiv Sherlock Holmes.

„Nordic Noir“ made in Finnland

Die finnische Thriller –Serie „Bordertown“, die im Original direkt nach ihrer kauzig-charismatischen Hauptfigur benannt ist, stammt aus der kreativen Feder von Miikko Oikkonen, der zusammen mit Ko-Regisseuren und Autoren auch für Drehbücher und Inszenierungen zuständig ist. Die Serie besteht aus elf einstündigen Folgen, von denen – abgesehen von der dreiteiligen Auftakt-Ermittlung – immer zwei Episoden einen Kriminal-Fall umfassen. Es gibt also fünf Kriminalfälle zu bestaunen.

Zwar gibt es auch Bücher zu der TV-Serie, aber ich habe tatsächlich nicht herausbekommen können, ob der 2017 bei Suhrkamp erschienenen Roman „Bordertown – Der Puppenmeister“ des finnischen Autorenduos J.M. Ilves die Vorlage zu „Das Puppenhaus“, dem ersten Fall der TV-Serie ist, oder eine literarische Aufbereitung. Gleiches gilt für den zweiten Roman der in deutscher Übersetzung im März 2019 bei Suhrkamp erscheint. Die Handlung von „Bordertown – die Abrechnung“, scheint jedenfalls dem letzten Fall der ersten Staffel, „Endspiel“ zu entsprechen. Soviel also zu den Eckdaten und Hintergrundinfos zu „Bordertown“.

Der Rückzug ins Private scheitert

Für den Ermittler Sorjonen, der eigentlich mehr Familienleben möchte, wird es in fast jedem der Fälle auf unangenehme Weise persönlich. Seine jugendliche Tochter steht tatsächlich in zwei der vier Fälle der ersten Staffel im Mittelpunkt und seine Frau Pauliina war in ihrer Jugend nicht nur mit dem Burgermeister liiert.

Immerhin konnte die düstere finnische Produktion zum Serienauftakt in der Heimat für Einschaltquoten von 25 % sorgen. Das kommt schon an einen Gassenfeger heran. In der Tat ist die düstere blau-grau gehaltene Optik allerdings als Stilmittel für Thriller aus Skandinavien schon ein wenig abgenutzt. Auch die etwas eigenwilligen Ermittlerfiguren gehören zu den Stilmitteln, ebenso die ziemlich gewalttätigen und perversen Verbrechen. Das kennt man inzwischen aus Serienhits wie „Die Brücke“ oder „Kommissarin Lund“ oder auch aus den Verfilmungen der Jussi Adler-Olson-Roman um Carl Mörck und seine „Abteilung Q“. Dennoch gelingt es „Bordertown“ einen eigenen Ton zu finden, eigene Stimmungen und Atmosphären zu erzeugen und so für eine originelle Thriller-Unterhaltung zu sorgen und eine „finnische“ Grundstimmung zu etablieren.

Ermittlungen in menschlichen Abgründen

Zunächst bekommt es die neue Sondereinheit im Serienauftakt „Das Puppenhaus“ mit einer Mädchenleiche zu tun, die ertrunken aus dem See gefischt wird und Spuren eines Betäubungsmittels aufweist. Die Ermittlungen von Sorjoinen und seinem Team führen wiederholt zu einem geplanten Casinoprojekt, das der Kleinstadt wirtschaftlichen Aufschwung bescheren soll. Dabei hat Bürgermeister Degermann, als Sprößling der reichsten Familie der Stadt auch irgendwo sein Finger im Spiel. Jenseits der Grenze im etwa 200 Kilometer entfernten sankt Petersburg sucht die russische Geheimdienstagentin Lena Jaakkola (Anu Sinisalo) zur gleichen Zeit ihre Tochter Katia (Lenita Susi). Und deren Spur führt ebenfalls nach Lapeenranta. Der Serienauftakt um Kari Sorjonen und seine Familie erinnert ein bisschen an den Mystery-Serien-Klassiker “Twin Peaks“, aber die Hauptfigur kann sich schnell von den „Sherlock“-Klischee lösen und die privaten Verwicklungen von Pauliina und Bürgermeister Degermann entwickeln zielsicher eine zweiten Erzählebene, in der es um lokale Politik und Mauscheleien geht.(8/10 Punkten)

In dem zweiten Fall, „Dragonflies“, bekommen es die Ermittler mit tödlichen Designer-Drogen zu tun. Gerade als die sich die familiäre Situation bei den Sorjoinens nach der turbulenten Ankunft etwas beruhigt hat, tauchen neue Probleme auf: Janina wird von einem Hobbyfotografen ohne ihre Einwilligung fotografiert. Nachdem was ihrer neuen Freundin Katia gerade wiederfahren ist, ist die junge Frau nicht amüsiert. Katias Mutter Lena Jaakkola, die zunächst nicht nach Russland zurück kann, wäre rein fachlich ein Zugewinn für die Sondereinheit, aber Chefin Taina sträubt sich die ehemalige FSB-Agentin einzustellen. (7/10 Punkten)

In der dritten Ermittlung, „Wut“, geht es um illegale Hundekämpfe, die in der Grenzregion stattfinden sollen. Die Polizei hat von Europol einen entsprechenden Hinweis bekommen, aber es gelingt nicht, den Veranstaltern auf die Spur zu kommen. Statt dessen wird der Pathologe HP Lund (Max Bremer) von einem Escort-Girl verprügelt, dass anschließend komplett weggetreten wirkt. Eher peinlich berührt bittet der Pathologe Kari um Hilfe. Dann sorgt ein Laborbefund für erhebliche Anspannung in der Sondereinheit. (8/10 Punkten)

Anschließend geht es in „Die Frau im See“ um eine abscheuliche Folter: Jemand hat eine junge Frau unter Wasser in einen Käfig gesperrt, wo sie nur mit einem Schlauch überhaupt noch atmen konnte. Zufällig wird die Frau gefunden, doch Kari und die Sondereinheit stehen vor einem Rätsel: Die Frau ist nicht zu identifizieren und es gibt keinerlei Anhaltspukte über Motiv und Täter. Derweil geht Pauliina in ihren neuen Job als PR-Frau der Stadt auf und bekommt immer mehr Kompetenzen zugeteilt. Der Fall ist enorm verzwickt und wirkt insgesamt ein wenig überkonstruiert. (6/10 Punkten)

Wer zieht hier die Fäden?

Zum Staffelfinale „Endspiel“ muss Kari Sorjonen beweisen, dass seine Tochter Janina keine Mörderin ist. Die junge Frau wachte ohne Erinnerung auf einem Segelboot neben der Leiche eines Sozialarbeiters auf. Alle Indizien sprechen gegen Janina und Kari wird als Vater von den Ermittlungen ausgeschlossen. Stattdessen muss er mit der Chefin Belanglosigkeiten aufklären. Insgeheim macht er sich aber doch an die Arbeit auch wenn ihm niemand die konstruierten Zusammenhänge glauben will. Zum Staffelfinale wird es für den ermittelnden Helden sehr persönlich und die Story setzt die vorher wirkungsvoll eingestreuten politischen Ränkespiele effektiv ein, um zumindest anzudeuten, dass die Stadtoberen den Ermittler aus Helsinki hier nicht haben wollen. Der Kriminalfall selbst ist erneute etwas zu überkonstruiert und darauf ausgerichtet einen kriminelles Superhirn als direkten Gegenspieler für Sorjonen zu etablieren. Soviele „Sherlock“-Parallelen hätten gar nicht nötig getan. (7/10 Punkten)

Nicht alle fünf Fälle in der ersten Staffel von „Bordertown“ sind gleichermaßen unterhaltsam und spannend. Allen gemeinsam ist allerdings eine recht derbe, drastische und auch reißerische Art der Verbrechensdarstellung zum Einstieg. Da muss man als Zuschauer erst einmal durch, bis die Ermittlungen in Gang kommen. Angesichts der doch ziemlich realistisch dargestellten Straftaten ist die Altersfreigabe ab 12 Jahren schon ein bisschen fragwürdig, aber letztlich zielt die Serie ohnehin auf ein älteres Publikum. Ausgerechnet mit dem „Endspiel“ endet die erste Staffel dann jedoch mit einem überflüssigen Cliffhanger, obwohl der Fall gelöst schien. Das tut dem Unterhaltungswert nur bedingt Abbruch, ist aber wegen der Serienkontinuität eher alte Schule und ziemlich überflüssig.

Neben einem faszinierenden Serienhelden und starken Milieustudien zeichnet die finnische Krimi-serie „Bordertown“ eine grandiose Landschaft und eine große Düsternis aus. Eine Reise in das Herz der nordischen Finsternis.

Serien-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Bordertown – Staffel 1
OT: Sorjonen – Season 1
Genre: TV-Serie Krimi, Thriller,
Länge: ca. 629 Minuten, 11 x 58 Min.), Finnland 2016
Idee: Miikko Oikkonen
Regie: Miikko Oikkonen et al.
Drehbuch: Miikko Oikkonen et al.
Darsteller: Ville Virtanen, Matleena Kuusniemi, Anu Sinisalo
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Eurovideo
DVD- & BD-VÖ: 14.02.2019

Episodenguide Bodertown Staffel
Episode 01 – Das Puppenhaus (Teil 1)
Episode 02 – Das Puppenhaus (Teil 2)
Episode 03 – Das Puppenhaus (Teil 3)
Episode 04 – Dragonflies (Teil 1)
Episode 05 – Dragonflies (Teil 2)
Episode 06 – Wut (Teil 1)
Episode 07 – Wut (Teil 2)
Episode 08 – Die Frau im See (Teil 1)
Episode 09 – Die Frau im See (Teil 2)
Episode 10 – Endspiel (Teil 1)
Episode 11 – Endspiel (Teil 2)