Endlich neu aufgelegt: Nicht fummeln, Liebling!

Für die einen ist es ein aus der Zeit gefallenes Stück deutsche Filmgeschichte, für die anderen auch rund 50 Jahre nach dem erstaunlichen Kinoerfolg noch immer eine filmische Offenbarung. Nach dem Überraschungserfolg „Zur Sache Schätzchen“, legte Regisseurin May Spils mit ihrem Lebensgefährten, Partner in Crime und Hauptdarsteller Werner Enke 1970 nach: „Nicht fummeln, Liebling“ war neben der Disney –Komödie „Ein toller Käfer“ in der damaligen Bundesrepublik der erfolgreichste Kinofilm des Jahres. Nun liegt „Nicht fummeln, Liebling“ in restaurierter Fassung erstmals auf DVD vor. Die Komödie ist alles heute alles andere als „ausgebufft und abgelascht“.

Da hängt so’n Heiopei tagsüber im Bett und guckt Testbild, weil er mit Denken beschäftigt ist. Kein Wunder, dass die faule Socke von seiner Freundin die Luft gesetzt wird. Charlie (Werner Enke) kriecht bei seinem Kumpel Harry (Henry von Lyck) unter. Bei dem trifft sich gerade eine aktive Studententruppe, um dem Kapitalismus im wahrsten Sinne des Wortes die Exkremente an dem Kopf zu werfen. Ein kaufhaus-Klo soll zur Explosion gebracht werden. Charly soll mittun, hat aber nicht so richtig Antrieb.

Also nimmt ihn Harry, der sein Geld auch schon mal als Model für dänische Naturaufnahmen verdient, mit, um als Statist ein bisschen Geld zu verdienen. Aber Charly verbockt auch das. Im Laufe des Tages, trifft der Hänger Charlie dann Christine (Gila von Weitershausen), die Tochter aus gutbürgerlichem Hause. Christine muss noch an ihrer Einstellung arbeiten und so demonstriert ihr Charlie nicht nur den Fosbury-Flop sondern unfreiwillig auch eine Kaufhausbesetzung, weil Schmiere Stehen so langweilig ist.

Mitten in die politisch umtriebigen Jahre Ende der 1960er warfen die junge Filmemacherin May Spils und Schauspieler Autor Werner Enke ihre luftig leichten, anarchisch-charmanten Komödie „Zur Sache, Schätzchen“ und „Nicht fummeln, Liebling“. So etwas hatte man – junger deutscher Film hin oder her – hierzulande noch nicht aus eigener Produktion gesehen. Angelehnt an die „Neue Welle“ des französischen Kinos, brillierten die Filme von Spils und Enke mit Witz, Charme und Leichtigkeit.

Man täusche sich nicht, gute Komödien zu machen, ist eine hohe Kunst und nur, wenn die dramatische Fallhöhe durch Kontrast oder Überhöhung der Realität gegeben ist, wirkt auch der Witz. Insofern wundert es nicht dass Werner Enke in beiden Filmen den Inbegriff des charmanten, wortgewandten Nichtsnutzes verkörpert und dabei zum Idol beziehungsweise Feindbild einer ganzen Generation geworden ist.
Enke, der bei „Nicht fummeln, Liebling“ auch das Drehbuch verfasste, wenngleich man davon ausgehen darf, das einiges improvisiert ist, prägte in seinem filmischen alter Ego Ausdrücke wie „Das wird böse enden, oder „ausgebufft und abgelascht“, was sogar in einer damaligen Bundestagsdebatte zitiert wurde.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die beiden Filme von May Spils, die damals (1968!) die erste deutsche Regisseurin nach dem Krieg war, hier oft in einem Atemzug genannt werden. Aufbau, Struktur und Inhalt beider Komödien ähneln sich, und Enke selbst, sagt in einem Interview, dass die meisten Zuschauer jenen der beiden Filme bevorzugen, den sie zuerst gesehen haben. Wobei die beiden Komödien mit ihrer auch selbstironischen Art nach wie vor eine extreme Einzelstellung in der deutschen Filmgeschichte haben. Aber darüber ist von klügeren Leuten schon genug geschrieben worden.

Ob die Komödie „Nicht fummeln, Liebling“ auch fünf Jahrzehnte später noch etwas zu sagen hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Angesichts eines zur Zeit vorherrschenden ausgeprägten Pragmatismus in Ausbildung, Schule und Studium ist es vielleicht ganz heilsam, einen früheren Gegenentwurf zum bürgerlichen Leben vor Augen zu haben.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Nicht fummeln, Liebling!
Genre: Komödie
Länge:87 Minuten, BRD, s/w, 1970
Regie: May Spils
Darsteller: Werner Enke, Gila von Weitershausen, Henry van Lyck,
FSK: ab 12
Vertrieb: Indigo, Good Movies
DVD-VÖ: 30.11.2018