Greyzone – No Way Out: Staffel 1

Es ist schon erstaunlich, dass aus Skandinavien immer noch Thriller- & Krimi-Themen für Serienformate auftauchen, die dann auch für Zuschauerinteresse sorgen. Dabei haben die skandinavischen Länder statistisch gesehen ganz andere Probleme als übermäßige Kapitalverbrechen. In der dänisch-schwedisch-deutschen Koproduktion „Greyzone“ sezieren die Serienmacher die Mechanismen fundamentalistischen Terrorismus‘ anhand einer spannenden Geiselsituation. „Greyzone“ verspricht 45o hochspannende Minuten und lief bereits auf ZDFneo, bevor Edel Motion die Thriller-Serie nun für das Home Entertainment veröffentlicht hat.

Die schwedische Polizistin Eva Forsberg (Tova Magnusson) hat einen Tipp bekommen und kontrolliert daraufhin einen LKW, der Schweden mit einer Fähre erreicht hat. Die Kontrolle eskaliert und hat nicht nur zwei Tote zur Folge, sondern auch einen Flüchtigen und vor allem den schockierende Fund eines Raketensprengkopfes.

Zwar ist der schwedische Geheimdienst froh, den Sprengkopf aufgespürt zuhaben, aber es fehlt jegliche Spur von einem weiteren abhanden gekommenen Sprengkopf. Doch es gibt eine Spur nach Dänemark. Dort arbeitet die schwedische Polizistin mit einer Sondertruppe zusammen, die versucht, Informanten aus dem radikalen islamischen Milieu zu finden. Dem verdeckten Ermittler Jesper Lassen (Joachim Fjelstrup) kommt dabei eine herausragende Rolle zu, denn sein Hauptinformant ist Iman in einer einschlägig bekannten Moschee. Für die Ermittlung wird sogar Jespers Suspendierung aufgehoben. Doch die Spurensuche erweist sich als zäh.

Beinahe gleichzeitig mit dem Auftauchen des Sprengkopfes in Schweden wird die dänische Ingenieurin Victoria Rahbeck (Brigitte Hjort Soerensen) von einem ehemaligen studienbekannten als Geisel genommen. Die alleinerziehende Mutter arbeitet für die schwedische Firma „SparrowSat“ die Steuerelektronik für Flugdrohnen herstellt und entwickelt. Bei einem Kongress trifft Vitoria ihren Studienbekannten Iyad Adi Kassar (Ardalan Esmaili), der sich als Wissenschaftsjournalist vorstellt und gerne ein Interview mit Victoria machen würde.

Als Iyad in Kopenhagen auftaucht, nimmt er Victoria in ihrer Wohnung als Geisel, um an einer militärisch nutzbaren Drohne zu arbeiten. Diese solle mit Hilfe der „SparrowSat“-Steuerung programmiert werden. Obwohl Victoria vermutet, dass Iyad nichts Gutes im Schilde führt, hat sie keine Wahl als seinen Anweisungen zu folgen, da ihr Sohn bedroht wird, der gerade mit dem Vater in Paris Urlaub macht.

Terrorismus ist als Thema für Action- und Thriller-Formate längst salonfähig und auch wenn es nach den verheerenden Ereignissen von 9/11 ein kurzes Innehalten gab, was die Verwertung des Themas „Terror“ für Unterhaltungsformate gab, so war das vor diesem Datum ebenso Gang und Gäbe wie hinterher. Der Unterschied ist, dass das Gesicht des Terrors sich gewandelt hat und entsprechend auch unterschiedlich abgebildet wird. Während im den 70er und 80er Jahren vor allem politischer Terrorismus vorherrschte, beispielsweise durch Separatistengruppen wie die baskische ETA oder radikale wie die RAF, ist es seit 2001 vornehmlich radikalfundamentalistischer religiöser Terrorismus, der die Welt in Angst und Schrecken versetzt.

Insofern ist es durchaus realistisch wenn in „Greyzone“ eine islamistische Terrorzelle einen Anschlag auf ein ziviles Ziel in einem europäischen Land plant. Es ist zwar auch hart am Thriller-klischee, dass es mal wieder die radikalisierten Muslime sind, die die liberalen Gesellschaften zerrütten wollen, doch die Realität bestätigt diese „Klischee“ ja immer wieder. Man nehme nur die Anschläge in Paris 2015 („Bataclan – wie ich überlebte“) oder den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016. Wer bei Wikipedia die frustrierend langen, nach Jahren sortierten Listen von Anschlägen und Attentaten durchforstet, wird feststellen, dass der fundamental-islamische Terror für einen Großteil davon verantwortlich zeichnet. Allerdings ist Europa – entgegen der häufig gefühlten Bedrohungslage – vergleichsweise selten betroffen. Was wiederum auch auf die gute Arbeit der Ordnungshüter und Geheimdienste hinweisen mag. Womit wir wieder bei dem TV-Format „Greyzone“ sind.

Die Serie „Greyzone“ fährt von Beginn an zweigleisig und zeigt einerseits die internationale Ermittlungsarbeit anhand der schwedischen Polizistin und ihrer dänischen Kollegen und andererseits die Entführungssituation der dänischen Ingenieurin. Am Drehbuch und der Storyentwicklung dieser trilateralen Fernsehproduktion sind vier renommierte Autoren beteiligt, die schon so machnen Quotenhit erdacht haben. Das Kleeblatt besteht aus aus Morten Dragsted, Oskar Söderlund, Mikkel Bak Sørensen, Rasmus Thorsen. Auch hinter der Kamera finden sich viele der üblichen Verdächtigen, wenn es um dänische oder schwedische Thriller-Serien geht.

Und dennoch kann „Greyzone“ nicht über die gesamte Laufzeit die notwendige Spannung halten, um vollends zu überzeugen. Zu viel Speilraum nehmen die Szenen in den kommandozentralen ein, bei denen die Ermittler nicht wirklich vom Fleck kommen und ihr Handeln koordinieren müssen. Das wirkt vom Spannunggrad bisweilen wie bei den seligen deutschen TV-Krimiserien „Derreck“ und „Der Alte“. Sicher entspricht diese Darstellung einem realistischen Ermittlungsverlauf und eine recht aktuellen Polizei-und Geheimdienstarbeit, aber es ist nicht sonderlich telegen.

Interessanter ist das schon das psychologische Duell von Geisel und Entführer. Hauptdarstellerin Brigitte Hjort Soerensen („Borgen“) hat sich zur Vorbereitung mit dem Stockholm-Syndrom befasst, bei dem Geiseln sich emotional mit den Geiselnehmern zu identifizieren beginnen. Die Entwicklung dieses Serienaspektes ist schon spannend und weitestgehend gelungen. Allein wird auch dabei etwas überstrapaziert, wie der islamische Terrorist stumpf seine Machtstellung gebraucht, um sein Opfer gefügig zu machen. Mit knappen, herrischen Bemerkungen ist in vielen Szenen jegliches psychologisieren plattgewalzt. Da hätten sich die Drehbuchautoren vielleicht ein wenig mehr kreativen Freiraum von der Realität gönnen können.

Vor allem in der zweiten Hälfte der Serie verliert sich die Dramatik aber auch deswegen, weil die Motive und Absichten der Terroristen so komplett undurchsichtig bleiben. Sicher, die Kerle planen einen Terroranschlag, aber warum jetzt, warum hier, warum so aufwändig? Es hätte „Greyzone“ gut getan, hätte man das Format etwas gestrafft, da die Handlung nicht über zehn Folgen trägt.

Die skandinavische Thriller-Serie „Greyzone“ setzt auf realistische Darstellung von Geheimdienstarbeit und Geiselnahme, kann das Spannungsniveau aber nicht über die zehn Folgen halten. Die guten Darsteller hätten etwas interessantere Dialoge verdient gehabt, aber das Teamwork funktioniert, auch wenn Opfer gebracht werden müssen.

Seriene-wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Greyzone – No Way Out: Staffel 1
OT: Greyzone, Season 1
Genre: TV-Serie, Thriller,
Länge: 4050 Minuten (10x 45), DK/S/D, 2018
Idee & Drehbuch: Morten Dragsted, Oskar Söderlund, Mikkel Bak Sørensen, Rasmus Thorsen
Regie: Jesper W. Nielsen, Fredrik Edfeldt, Jörgen Bergmark
Darsteller: Brigitte Hjort Soerensen, Tova Magnusson, Joachim Fjelstrup, Kida Khodr Ramadan, Ardalan Esmaili
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 12.10.2018