Grenzenlos: Eine absolute Liebe

Da verlieben sich zwei, die eigentlich keine Zeit haben, weil sie – jeder auf seine Weise- die Welt retten müssen. Und dann tauchen beide unter in den Wirrungen der Existenz und in den Tiefen des Gefühls und der Einsamkeit der Wartenden. Verlöre sich das romantische Drama von Wim Wenders Romanverfilmung nicht in den Untiefen globaler Bedrohungen, „Grenzenlos“ wäre die Romanze des Jahres.

Da treffen sich zwei, die eigentlich keine Zeit haben, weil sie – jeder auf seine Weise- die Welt retten wollen beziehungsweise müssen. Danielle „Danny“ Flinders (Alicia Vikander) ist biologische Mathematikerin und James „J.“ More (James McAvoy) ist Agent beim britischen Geheimdienst. Sie will beweisen, dass Leben auf diesem Planeten nicht nur mittels Photosynthese entstanden ist. Er riskiert sein Leben für die Chance, Europa vor etlichen islamistischen Selbstmordbombern zu bewahren. Sie bereitet sich auf einen Tiefseetauchgang vor, der sie in antarktischen Gewässern in mehrere tausend Meter Tiefe befördert. Er hat gerade einen Kontakt zu einer fundamentalislamischen Terrorzelle im IS kontrollierten Süd-Sudan aufgetan.

Bevor es an den Ernst der Weltenrettung geht, lernen sich die beiden intelligenten Idealisten in einem Hotel an der französischen Atlantikküste kennen. Am Strand joggt J. an Danny vorbei und die beiden sind sich spontan sympathisch -bevor sich zwischen den beiden mit Lichtgeschwindigkeit eine intensive Beziehung entwickelt. Die gemeinsame Zukunft allerdings ist angesichts der Aufgaben der beiden ungewiss und J. gerät in Gefangenschaft.

Der international hochgelobte Roman „Submergence“ von J. M. Legard habe einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, gesteht Autorenfilmer Wim Wenders („Der Himmel über Berlin, „Paris Texas“); olglich habe er sich der Filmadaption angenommen. Das Drehbuch besorgte Erin Dignam („Denial“, „Das Gelbe Segel“) und für die imposanten Bilder sorgt einmal mehr Kameramann Benoit Debie („Spring Breakers“, „Lost River“), der bereits für Wenders‘ letzte beiden Filme „Everything Will Be Fine“ und „Die schönen Tage von Aranjuez“ hinter der Kamera stand.

Seine Deutschland-Premiere feierte Wim Wenders‘ starbesetztes Liebesdrama „Grenzenlos“ bereits beim Filmfest Hamburg 2017. Bis zum Start des Films mit Oscar-Preisträgerin Alicia Vikander („The Danish Girl“, „Tomb Raider“) und dem schottischen Star James McAvoy („X-Men“-Reihe, „Drecksau“, „Split“) mussten Fans allerdings warten, bis Wenders‘ Doku über Papst Franziskus hierzulande in die Lichtspielhäuser kam. Das mg darin begründet, das der Prophet in eignen Land sprichwörtlich am wenigsten gilt, es mag aber auch den durchwachsenen Reaktionen geschuldet sein.

Wenn so großartige Darsteller wie Alica Vikander und James McAvoy vor der Kamera agieren, möchte man meinen, dass eigentlich kaum noch etwas schiefgehen kann. Aber weit gefehlt, inhaltlich verhebt sich „Grenzenlos“ komplett, verliert seinen Fokus, weil die parallel montierten Schicksale der beiden Liebenden in dieser Art und Weise nicht funktionieren und sich im Vorantreiben der Handlung verlieren, während die beiden Charaktere sich einerseits bewähren müssen, andererseits aber eigentlich nur aufeinander warten. In der Romanvorlage mag das eine spannende und interessante Melange ergeben haben, auf der Leinwand wird die chronologische Handlung verzerrt, indem der Film beginnt, während Danny in See sticht, ohne etwas von J. gehört zu haben. Der ist bereits gefangen und erinnert sich an die das Kennenlernen. Anschließend wechseln sich Impressionen der intensiven Zweisamkeit mit jeden Situationen des zermürbenden Wartens ab.

Leider gewichtet „Grenzenlos“ die äußere Handlung zu stark. Im Fall der biologischen Expedition ist das ziemlich belanglos aber nicht weiter störend, im Fall des Agenten ist die Story arg missglückt. Inkognito wird der Agent nicht nur gefangen gehalten, sondern muss auch etliche Situationen überstehen, um die Engstirnigkeit, die Ruchlosigkeit und die Brutalität von Fundamentalisten zu demonstrieren. Das wirkt so deplatziert, plump und störend, dass es den gesamten Film wörtlich und faktisch in ein anderes Licht rückt.

Im Grunde muss man „Grenzenlos“ gesehen haben, um das Ärgerliche an dem Drama zu erleben. Es beginnt bereits bei dem deutschen Verleihtitel „Grenzenlos“, dem die beklemmende Anmutung des Ertrinkens und damit die düstere Komponente der Story komplett ad absurdum führt. Das Versinken in dem im Original „Submergence“ betitelten Film ist nicht nur metaphorisch sondern auch ganz konkret. Im Fall der Meeresbiologin ist das offensichtlich, aber auch im Fall des gefangenen Agenten, der in umfassender dunkelhaft belassen wird, wird das Untertauchen physisch. Zudem weisen auch die Aufgaben der beiden Protagonisten darauf hin, dass unser Planet am Versinken ist.

Dabei sind Alicia Vikander und James McAvoy zusammen derart lebendig, dass vor allem in der erste Filmhälfte von „Grenzenlos“ ein hypnotisch-romantischer Sog entsteht, der seinesgleichen sucht. Intelligente Dialoge werden nahezu sperrfeuerartig abgefeuert, während man zusehen darf, wie sich zwei grandiose Darsteller, die hinter ihren Rollen komplett verschwinden, belauern, umtänzeln und schließlich mit der Intensität und Wucht eines Boxkampfes aufeinander zu prallen. Das ist sowohl sexy als auch tief, sehnsüchtig und mehr als nur verliebt, wie es auch das Filmplakat verspricht. Die gemeinsamen Szenen von Alicia Vikander und James McAvoy gehören mit zu dem stärksten, was romantisches Kino in den letzten Jahren zu bieten hatten und würden für sich genommen einen Kinobesuch mehr als begründen. Wäre da nicht der bedeutungsschwere Zustand der Welt…

„Grenzenlos“ lebt von der enormen Energie seiner beiden Hauptdarsteller, verschenkt aber viel durch die inhaltliche Überfrachtung und formale Spielereien. Das ist vor allem schade, weil Vikander und McAvoy in den gemeinsamen Szenen die Leinwand ordentlich zum Knistern bringen.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Grenzenlos
OT: Submergence
Genre: Drama, Thriller
Länge: 112 Minuten, USA, 2017
Regie: Wim Wenders
Romanvorlage: J.M. Ledgarde „Subermgence“
Darsteller: Alicia Vikander, James McAvoy
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Warner
Kinostart: 02.08.218