Essential Killing: Überleben um jeden Preis

Wenn der polnische Regisseur Jerzy Skolimowski seinen Hauptdarsteller Vincent Gallo durch die eisige Einöde eines Osteuropäischen Landes schickt, geht es um das nackte Überleben. 2010 wurde der Film wurde bei den Filmfestspielen in Venedig nicht nur für die beste Regie sondern auch für den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet und ist weit mehr als ein billiger Thriller. Erstaunlicher Weise kam das politisch noch immer aktuelle Drama hierzulande nie in die Kinos. Ascot Elite veröffentlichte den Titel 2011 als Home Entertainment Premiere.

Manch einer mag sich gerade, fragen, warum ich den Film ausgerechnet nun, in der Hitzewelle 2018 vorstelle. Aber mit der Veröffentlichung der Videopremiere des norwegischen Thrillers „The 12. Man“ kam mir Skolimowskis Film wieder in den Sinn und so habe ich in meinem Archiv gewühlt. Und siehe da, hier ist die Filmbesprechung, die ich seinerzeit zum DVD-Start schrieb.

In Afghanistan wird der Muslim Mohammed (Vincent Gallo) gefangengenommen, nachdem er einige US-Soldaten, die auf Gebietserkundung waren, getötet hat. Ohne viel Federlesen wird Mohammed als politischer Häftling misshandelt und außer Landes verschleppt. In der winterlichen Kälte eines osteuropäischen Landes betreiben die US-Truppen ein geheimes Gefangenenlager, doch auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Autounfall und Mohammed gelingt die Flucht.

Zunächst sieht es aus, als hätte niemand bemerkt, dass ein Gefangener fehlt, doch bald sind die Streitkräfte auf der Suche nach dem verängstigten Mann und Mohammed ringt in der winterlichen Einöde um das nackte Überleben. Immer wieder gelingt es ihm seinen Verfolgern zu entkommen.

Was sich zunächst wie der Inhalt eines Action-Thrillers anhört, wird von Regisseur Skolimowski als dramatisches Kammerspiel in der subarktischen Wildnis inszeniert. Der Film kommt über weite Strecken ohne gesprochene Worte aus und die Stimmung in „Essential Killing“ ist weniger von actionlastiger Spannung geprägt, denn von der Verzweiflung des Gejagten in einer komplett fremden Umgebung um jeden Preis zu überleben. Wie der Titel bereits vermuten lässt, geht es Skolimowski um die Studie eines Mannes in einer darwinistischen Notlage: Fressen oder gefressen werden, töten oder getötet werden. Wie weit treiben Hunger und Verzweiflung einen Menschen der unerbittlich zwischen Panik und Angst pendelt?

Vincent Gallo („Buffallo 66“) gelingt eine beeindruckend intensive Darstellung der Gejagten, der aus purer Überlebensnotwendigkeit selbst tötet. Er versucht nicht nur seinen Verfolgern zu entkommen, sondern löst auch die Zufallsbegegnungen in den winterlichen Wäldern auf radikale Weise. Aus dem Wissen, dass jeder Überlebende auch eine mögliche Gefahr darstellt, tötet Mohammed ohne zu zögern und geht dabei über die Grenze seiner Menschlichkeit hinaus.

Die politisch kontroverse Ausgangssituation des Films ist durchaus gewollt und als Kritik zu begreifen, doch im Verlauf von „Essential Killing“ wendet sich der Schwerpunkt des Films hin zum animalischen Überlebenskampf. Regisseur Jerzy Skolimowski, der auch das Drehbuch verfasste, gelingen dabei eindrückliche Szenen höchster Verzweiflung und seltene cineastisch berührende Momente. Gerade die archaischen Situationen wirken erstaunlich unverbraucht und innovativ. Kontrastiert wird das Geschehen von den visuell grandiosen Naturaufnahmen, die einer scheinbar öden Landschaft höchste Schönheit entlocken und von irritierenden gedanklichen Rückblenden Mohammeds während seiner Flucht.

Wer „Essential Killing“ als Action-Thriller versteht mag enttäuscht werden, doch Regisseur Jerzy Skolimowski gelingt ein archaisch intensives und filmisch überzeugendes Drama über die menschliche Existenz ; auch durch die treffliche Besetzung der Hauptfigur mit Vincent Gallo.

Film-Wertung:7 out of 10 stars (7 / 10)

Essential Killing
OT: Essential Killing
Genre: Thriller, Kriegsfilm,
Länge: 83 Minuten, Polen, Frankreich 2010
Regisseur: Jerzy Skolimowski
Darsteller: Vincent Gallo, Emmanuelle Seigner
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: : Ascot Elite Home Entertainment
DVD- & BD-VÖ: 7. Juni 2011