The Last Kingdom – Staffel 1: Eine Zeit vor dem Vereinten Königreich

Noch vor ein paar Jahren wurde die TV-Serie als Format gefeiert, dass dem Kino den Rang abgelaufen hätte; sozusagen das bessere Kino. Inzwischen ist der Serien-Markt – auch Dank unzähliger Eigenproduktionen diverser Streaming-Dienste – absolut unüberschaubar geworden. Es gibt Serien für jeden Geschmack und jede Altersgruppe. Hier noch herausragende Formate zu finden, ist zu einer Glückssache geworden. Für Fans historischer und gerade mittelalterlicher Themen ist „The Last Kingdom“ sehr empfehlenswert. Capelight hat Ende Juni 2017 die erste Staffel der von BBC America produzierten Abenteuer-Serie auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.

Mitte des neunten Jahrhunderts haben die Wikinger große Teile Europas unter ihre Kontrolle gebracht und nun wendet sich das Interesse der Dänen nach Westen – zu den Inseln, die wir heute als Großbritannien kennen. Zu dieser Zeit ist von einem Vereinten Königreich allerdings wenig zu sehen: Die Insel Britannien ist in einige unabhängige Königreiche unterteilt und so gennannte Aldermänner herrschen als adelige Feudalfürsten über ihre Ländereien. Bereits in vielen britannische Königreichen haben sich die Wikinger ausgebreitet und brandschatzend und plündernd Angst und Schrecken verbreitet.

Die Story

Nun fällt das Kriegervolk im nördlichen Northumbria ein und bedroht auch die Heimat von Uthred von Bebbanburg (Matthew Macfayden). Der Fürst kann den Wikingern nicht standhalten. Seinen Erstgeborenen hat er bereits an die Barbaren verloren und daher wird der zehnjährige Sohn Osbert (Tom Taylor) kurzerhand vom Pater Beocca (Ian Hart) ein zweites Mal getauft. Dieses Mal als Stammhalter auf den Vaternamen Uhtred. Der alte Uhtred fällt in der Schlacht, dessen Bruder übernimmt die Macht und schließt Frieden mit den Invasoren. Sohn Uhtred ist zwar geflohen, aber der machthungrige Onkel sähe ihn am liebsten tot. Doch Uthred gerät in die Hände des Wikingerfürsten Ragnar (Peter Gantzler). Der Sklavenjunge wird wie auch die junge Brida (Emily Cox) zu einem festen Familienbestandteil.

Jahre später ist Uhtred (Alexander Dreymon) ein junger Mann, als sich sein Schicksal erneut wendet. Inzwischen empfindet er sich selbst als Dänen und als Sohn von Ragnar. Der Hof Ragnars wird eines Tages überfallen und die anwesende Familie getötet. Nur Brida und Uhtred überleben. Doch die Täter schieben Uhtred den Mord an Ragnar in die Schuhe und nun kann er sich seines Lebens bei den Wikingern nicht mehr sicher sein; vor allem da Herrscher Ubba (Rune Tempte) und dessen General Guthrum (Thomas W. Gabrielson) ihn immer noch als britannischen Sklaven ansehen.

Uhtred beschließt zusammen mit Brida zu den Britanniern überzuwechseln und seinen Anspruch auf dem Familiensitz Bebbanburg geltend zu machen. Aber nur das Königreich Wessex unter dem Christenkönig Alfred (David Dawson) ist stark genug, den Dänen noch Widerstand zu leisten. Aber Uhtred ist als ungläubiger Wikinger nicht gerne an Alfreds Hof gesehen. Nur die Fürsprache Beoccas, der inzwischen Alfreds Priester ist, bürgt für Uhhred und dieser muss seinen Nutzen für Alfred im Kampf gegen die Wikinger nun beweisen.

Die Produktion

Allein die Story in „The Last Kindom“ ist schon sehr wendungsreich und abenteuerlich, was einen beträchtlichen Reiz der Serie ausmacht. Dazu gleich mehr. Aber das allein genügt heutzutage bei der vielfältigen Konkurrenz nicht notwendiger Weise, um ein sehenswertes TV-Format auf die Beine zu stellen. Da kommen noch andere Aspekte hinzu. Zumindest in der ersten Staffel der Serie zeichnet der amerikanische Ableger der BBC verantwortlich und hat für „The Last Kingdom“ eine aufwändige, opulent ausgestattete Produktion aufgebaut. Gedreht wurde „The Last Kindom“ nicht nur aus Kostengründen in Ungarn, sondern auch weil die abwechslungsreiche Landschaft viele großartige Kulissen bietet, die ein mittelalterliches England sehr atmosphärisch wiedergeben. Dazu wurden auch aufwändige Sets tatsächlich gebaut, was es den Darstellern erleichterte sich in die Geschichte hineinzuversetzen. Da helfen auch die sehenswerten Kostüme. Wobei die Wikinger mit ihrem hedonistischen und kriegerischen Lebensstil deutlich opulenter ausgestattet sind als die frömmelnden, gottesfürchtigen Britannier der Zeit. Aber das Gesamtkonzept überzeugt und sorgt für einen tollen Look der Serie.

Und wie man inzwischen weiß, war es damals auch dreckig. Was heute selbstverständlich zu sein scheint, eine historische Peroiode auch mit ihrem alltäglichen Dreck darzustellen, war in der Filmwelt lange Zeit keineswegs üblich. Viele Ritter- und Mantel-und Degen-Filme zelebrieren auch heute noch eher den Prunk als den Schmutz. Eine gewisser Paradigmenwechsel war erst zu Beginn der 1970er Jahre möglich, als New Hollywood das Business umkrempelte und Roman Polanski seine dreckstrotzende Shakespeare-Verfilmung „Macbeth“ vorlegte. Ein Film übrigens, der auch heute noch sehenswert ist.

Die Action

Zudem hat Regisseur Nick Murphy, der nicht nur die ersten beiden Folgen drehte, sondern so etwas wie die künstlerische Leitung der ersten Staffel übernommen hat, dafür gesorgt, dass die Kamera von Chas Bain, der an diversen großen Kinoprojekten wie „Children of Men“, „X-Men: Erste Entscheidung“, „Kampf der Titanen“ mitgewirkt hat, immer sehr nah an den Figuren ist, was für eine sehr lebendige Unmittelbarkeit der Handlung sorgt. Außerdem gibt es etliche sehr handfeste Actionszenen, denen man ansieht, dass hier nicht auf CGI zurückgegriffen wurde. Was wäre ein Wikinger-Abenteuer auch ohne Schwertkämpfe?

Apropos Wikinger: allein aufgrund der zeitlichen und räumlichen Verortung liegt ein Vergleich mit der Erfolgsserie „Vikings“ nahe, und viele Aspekte in Story und Setting sind recht ähnlich, aber Uhtred ist eine andere Art von Held und „The Last Kingdom“ ist eher auf den britannischen Standpunkt der Historie ausgelegt. Außerdem spricht eigentlich nichts dagegen, „Vikings“ und „The Last Kingdom“ nicht als Konkurrenzprodukte zu sehen, sondern als historische Unterhaltungsformate, die sich gegenseitig ergänzen.

Die Schauwerte in der ersten Staffel von „The Last Kindom“ sind also mehr als sehenswert und werden der epischen Abenteuergeschichte durchaus gerecht. Drehbuchautor Stephen Butchard gelingt es aus der Romanvorlage eine spannende Handlung zu destillieren, die die Geschichte von der Entstehung Englands sehr lebendig werden lässt. Die Dialoge wirken frisch, erdig und somit fast modern, die Geschichte fokussiert sich, Cornwells Vorlage entsprechend, sehr auf den Helden Uhtred. Das ist bei einer fortlaufenden Handlung durchaus ein Vorteil, wo fantasymäßigere Formate wie etwa das Hochgelobte „Game of Thrones“ seine diversen Protagonisten auf sehr unterschiedliche Abenteuer schickt, diese parallel erzählt und immer den Schauplatz wechseln muss, bleibt „The Last Kingdom“, ganz in der Tradition klassischer Abenteuer-Geschichten, immer nahe beim Helden.

Die Romanvorlage

Uhtred ist aber keineswegs ein Held ohne Fehl und Tadel, sondern ein zorniger junger Mann, der zwischen zwei Kulturen steht, seinen Platz in der Gesellschaft sucht und dabei oft genug auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Nicht immer nur zu seinem eigenen Besten und auch das Leben an seiner Seite ist durchaus gefährlich. Dem Drang der Jugend nach Rache und irdischen Gütern fehlt die Weitsicht, die Herrscher Alfred an den Tag legt, der nicht nur seine Religion gefunden hat, sondern auch eine Vision für seine Herrschaft – ein einiges Britannien.

Bernard Cornwell begann seine „Uhtred“-Saga 2004 mit dem ersten Band „Das letzte Königreich“. Inzwischen ist bei Rowohlt auch der zehnte Band des mittelalterlichen Epos auf Deutsch erschienen. Cornwell ist ein englischer Bestsellerautor, der sich auf historische Romane spezialisiert hat und der mit den Abenteuern um den englischen Soldaten Richard Sharpe, der unter Wellington dient, erste Erfolge feierte. Viele der Sharpe-Romane sind auch verfilmt worden (unter anderem mit Sean Bean in der Hauptrolle).

Die „Uhtred“-Saga ist die zweite, nicht minder erfolgreiche, breit angelegte Abenteuer-Chronik aus seiner Feder. Der historische Rahmen der „Uhtred“-Geschichten ist gut recherchiert und in die Handlung der Abentuergeschichten integriert. Das gilt auch für die erste Staffel der Serie, die sich auf die ersten beiden Romane der Reihe stützt, namentlich „The Last Kingdom“ und „The Pale Horseman“.

Inzwischen ist auch die zweite Staffel von „The Last Kingdom“ abgedreht und auf Netflix ausgestrahlt worden. Der Streaming-Dienst hat die Serie von der BBC übernommen, so wie Amazon das seinerzeit mit „Ripper Street“ getan hat. Man darf gespannt sein, ob die zweite Staffle das außerordentliche Unterhaltungsniveau von Staffel 1 halten kann. Aber die Mitwirkung von Drehbuchautor Stephen Butchard, der auch als Serien-Produzent beteiligt ist, lässt Spannendes vermuten.

The Last Kingdom“ erzählt mitreißend und spannend vom mittelalterlichen Kampf der Britannier gegen die Wikinger. Das opulente Serienformat kommt inhaltlich ganz ohne Fantasyelemente aus und überzeugt auch mit seinem dreckigen Realismus.

Serien-Wertung 8 out of 10 stars (8 / 10)

The Last Kingdom –Season 1
Genre: Tv-Serie, Historie, Abenteuer
Länge: 488 Minuten, 8 Folgen,GB/USA 2015
Romanvorlage: Bernard Cornwell „Uthred“-Saga (OT: The Saxon Stories)
Drehbuch: Stephen Butchard
Regie: Nick Murphy, Peter Hoar, Anthony Byrne, Ben Chanan
Darsteller: Alexander Dreymon, Emily Cox, David Dawson, Ian Hart,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Capelight
DVD- & BD-VÖ: 30.06.2017

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