Suffragette – Taten statt Worte: Wahlrecht für Frauen

suffragette-vorschauDie politische Freiheit und das Recht, seine Meinung zu äußern, scheinen uns selbstverständlich. Aber die Übergriffe der Pegida-Bewegung auf Journalisten, zeigen recht aktuell, dass es auch bei uns nicht weit her ist, mit der vermeintlichen Pressefreiheit. In anderen Ländern sieht das freilich noch weit repressiver aus, vor allem wenn der Staat die Meinungsäußerung des Einzelnen maßregeln will. Auch das Wahlrecht ist als Ausdruck der politischen Meinung ein hohes demokratisches Gut. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass Frauen für ihr Wahlrecht gestritten haben. Das historische  britische Drama „Suffragette“ ist also nicht nur ein großartiger Spielfilm, sondern auch ein Frauenfilm und eine historische Lehrstunde über politische Partizipation.

suffragette-1Das Leben der jungen Wäscherin Maud Watts (Carey Mulligan) im London des Jahres 1912 ist hart und entbehrungsreich. Aber die Mutter eines Sohnes kennt nichts anderes als von früher Kindheit an in der Wäscherei zu arbeiten. Immerhin hat sie mit Sonny (Ben Whishaw) einen fürsorglichen man, der nicht zu Gewalt neigt. Als Maud eines Tages nach der Arbeit noch einen Botengang erledigen soll, gerät sie in einen Tumult, weil Frauen, die für das Frauenwahlrecht streiten, Schaufenster einwerfen. Die Polizei ist schnell vor Ort und Maud mach, dass sie wegkommt.

suffragette-2Aber Maud hat ihre Kollegin Violet (Anne-Marie Duff) bei der Aktion erkannt und beginnt sich nun für die Rechte der Frauen zu interessieren. Als eine Anhörung von Wäscherinnen vor dem Ministerpräsidenten David Lloyd George ansteht, nimmt Maud den Platz von Violet ein, die am Tag zuvor von ihrem Mann verprügelt wurde. Und wie es scheint, hat Mauds Bericht Eindruck hinterlassen. Doch es stellt sich heraus, dass das Kabinett und der König keinen Grund sehen, das Wahlrecht für Frauen einzuführen. Auch Mauds Empörung wächst und sie schließt sich einer Gruppe Suffragetten um die Apothekerin Edith Ellyn (Helena Bonham Carter) an.

Deren Wortführerin Emmeline Pankhurst (Merryl Streep) hatte die Frauen bereits zuvor zu zivilem Ungehorsam aufgerufen, weil die friedliche Einforderung des Wahlrechtes für Frauen seit 50 Jahren keinen Erfolg gezeitigt hat. Nun sind andere Mittel und Wege gefragt. Aber Maud gerät auch ins Visier der Polizei und Inspektor Steed (Brendan Gleeson),  der große Erfahrung im Umgang mit Terroristen und Anarchisten besitzt.

Es mag heute erstaunen, mit welcher Polizeigewalt und Brutalität die Ordnungskräfte seinerzeit auf die friedlich für ihre Rechte demonstrierenden Frauen losgegangen sind, aber das Aufbegehren der Hälfte der Bevölkerung rüttelte Gewaltig an den Festen männlicher Macht und männlichen Selbstverständnisses. Die Gleichsetzung der Suffragetten mit Anarchisten, die um die politische bewegte Jahrhundertwende international versuchten, durch Attentate politische Aufmerksamkeit zu erregen, ist aus der Sicht der Mächtigen durchaus verständlich.

suffragette-3Aber auch der so genannte kleine Mann und seine ordentliche Frau, also die arbeitende Bevölkerung war  seinerzeit fest davon überzeugt, dass der Ehemann selbstreden viel besser für seine Frau entscheiden kann, als diese selbst. Nicht umsonst erklingt in „Suffragette – Taten statt Worte“ wiederholt die landläufige Meinung, dass die Frau vom Gemüt her und von der sittlichen Reife einfach nicht in der Lage sei, politische Einflussnahme auszuüben. Aus diesem Zeitgeist heraus wurden Frauen auch immer noch wegen vermeintlicher Hysterie psychiatrisch behandelt. In der britischen Komödie „In guten Händen“  (OT: „Hysteria“, 2011) wird das mittels der Erfindung des Vibrators humorig thematisiert.

suffragette-5Aber zurück zu „Suffragette“: Regisseurin Sarah Garvron („Brick Lane“, 2007) und Drehbuchautorin Abi Morgan („Die eiserne Lady“, „Shame“, „Brick Lane“ machen keinen Hehl daraus, dass „Suffragette“ ein historischer Frauenfilm ist und sich auch politisch einmischen will. Daher auch nach dem Abspann eine chronologische Liste, wann das Frauenwahlrecht in unterschiedlichen Staaten eingeführt wurde. Dass das historische Drama „Suffragette“ blendend besetzt und großartig gespielt ist, muss an dieser Stelle eigentlich nicht explizit erwähnt werden.

Die Dramaturgie von „Suffragette“ ist klug gewählt und setzt auf die politisch unbedarfte Maud als emotionale Identifikationsfigur, die den Zuschauern und Zuschauerinnen ermöglicht, nachzuvollziehen, wie sich auch ohne große Bildung ein Politisches Bewusstsein ausbildet, einfach aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus. Dazu werden viele Frauen-Aktivistinnen gezeigt, die aus unterschiedlichen Milieus und mit unterschiedlichen Mitteln, den Kampf für Gleichberechtigung unterstützen und vorantreiben. Etwa die wohlhabende Alice Horton (Romola Garai), deren Engagement vornehmlich akademischer Natur ist und die sich dann auch von ihrem Ehemann, der auch für die innenpolitische Ordnung in Großbritannien zuständig ist, maßregeln lässt. Anders dagegen die Apothekerin Edith Ellyn, die um die Unterstützung ihres loyalen und ähnlich progressiv denkenden Ehemannes weiß, schon diverse Zuchthausaufenthalte hinter sich hat, gesundheitlich angeschlagen ist und dennoch nicht aufgeben mag.

suffragette-6Auch die Zeichnung der männlichen Figuren in „Suffragette“ ist gelungen, wenn auch nicht ganz so individualisiert, sondern eher typologisch. Mauds Gatte Sonny reagiert rigoros und selbstgerecht auf die „Schande, die ihm seine Frau macht“, indem sie sich politisch engagiert. Dabei nimmt  er aus lauter Prinzipienreiterei und Stolz in Kauf, dass die Familie zerbricht. Auch Inspektor Steed, der hier neue Kameras zur Observation einführt, ist in seiner Pflichtversessenheit ein Kind seiner Zeit und seiner Erziehung. Zumindest gesteht ihm das Drehbuch im Verlauf der Handlung einen Anflug von Gewissen und vielleicht sogar einen leichten Gesinnungswandel zu. Bis dahin aber bleibt der Inspektor, toll verkörpert von Brendan Gleeson („The Guard“) mit seinen Methoden der Observierung und Verdächtigung, seinen gezielten Rufschädigungen und seiner Bespitzelung ein subtiler Vertreter der Staatsmacht und des Status Quo.

Das britische Drama „Suffragette – Taten statt Worte“ gehört nicht nur wegen seines Themas zu den wichtigsten Filmen des Kinojahres. Die großartigen Darstellerinnen und ein kluges und umsichtiges Drehbuch sorgen für eine historische Lehrstunde in politischer Bildung, die emotional höchst packend und hochdramatisch ist.

Film-Wertung:8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

Suffragette-dvd-coverSuffragette- Taten statt Worte
OT: Suffragette
Genre: Drama, Geschichte,
Länge: 106 Min., GB, 2015
Regie: Sarah Gavon
Drehbuch: Abi Morgan
Darsteller: Carey Mulligan, Anne-Marie Duff, Ben Whishaw, Brendan Gleeson, Merryl Streep
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Concorde
Kinostart: 4.2. 2016
DVD- & BD-VÖ: 16.06.2016

Zum Weiterlesen:

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