Sherlock Staffel 3: Ein Freund, ein guter Freund

Sherlock Series 3Selten wurde in England ein TV-Ereignis so heiß ersehnt wie die dritte Staffel der Erfolgsserie „Sherlock“, und so verwundert es auch nicht, dass die drei Spielfilme zur erfolgreichsten BBC-Serie seit Einführung der aktuellen Quotenmessung geworden sind. Dabei haben sich die Macher Mark Gatiss und Steven Moffat an eine gewisse Neuausrichtung gewagt, die nicht ganz unumstritten ist. Aber nach Sichtung ist schnell klar, dass das Niveau der Serie noch immer atemberaubend ist und zu den weltweit besten und auch bestproduzierten TV-Formaten gehört. Vorhang auf für die Rückkehr der Meisterdetektive John Watson und Sherlock Holmes!

Wenn man wie Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) jemanden zwei Jahre lang in dem Glauben gelassen hat, man wäre tot, muss man sich nicht wundern, dass derjenige sein Leben eigenständig weiterführt. Und während Sherlock im Auftrag von Bruder Mycroft (Mark Gatiss) in Osteuropa undercover im Einsatz war, hat John Watson die Trauer um den Tod des Freundes hinter sich gelassen und die reizende Mary Morstan (Amanda Abbington) kennengelernt. Just als Watson ihr einen Antrag machen will, taucht der Totgeglaubte wieder auf. Watsons Wiedersehensfreude äußert sich eher handfest.

Sherlock Series 3Aber dass Sherlock zurückgekehrt ist, hat selbstverständlich einen triftigen Grund: Nach Mycrofts Informationen ist in London ein Terroranschlag geplant und die Behörden haben keine Ahnung, wer da wann und wo zuschlagen wird. Nachdem Mary in „Der leere Sarg“ ihr OK gegeben hat, lässt sich Watson wieder auf das Detektivspielen ein. Die Frage allerdings, wie genau Sherlock seinen Tod vorgetäuscht hat, beschäftigt nicht nur ihn, sondern ist Thema diverser Verschwörungstheorien.

Wo eine Verlobung besteht, wird in der Regel auch geheiratet. Was Sherlock in „Im Zeichen der Drei“ vor die schwierige Aufgabe stellt, dass Watson ihn als Trauzeuge in die Pflicht genommen hat. Der muss traditionell eine Rede auf das Brautpaar halten, für den Soziopathen Holmes eine durchaus fordernde Aufgabe. Und zu allem Überfluss gibt es selbstredend noch einen kniffeligen Fall zu lösen, bei dem es scheinbar keinen Täter gibt und der mit John Watsons militärischer Vergangenheit in Zusammenhang steht.

Die Sherlock Series 3Ereignisse in der dritten Staffel kulminieren in dem abschließenden Film „Sein letzter Schwur“ wenn Sherlock von einer einflussreichen Politikerin gebeten wird, sie vor einer Erpressung zu bewahren. Der Medienmogul Charles Magnussen (Lars Mikkelsen) steht im Verdacht, die englische Regierung zu manipulieren, und wehrt sich mit dem, was ihm zur Verfügung steht –Wissen, belastendes Wissen über so ungefähr jede Person von Einfluss, nicht nur in England. Nachdem Sherlock einige Wochen undercover gelebt hat, geraten er wie auch Watson und Mary in Magnussens Schusslinie.

Sherlock Series 3Für das tatsächliche Auftreten von Watsons Ehefrau Mary ernteten die Serienmacher Gatiss und Moffat einiges an Schelte, Kritiker und Fans fürchteten, dass die Figur die Dynamik zwischen Holmes und Watson sprengen könnte. Doch das Gegenteil ist der Fall. In einem der drei jeweils 15minütigen Blicken hinter die Kulissen nennt Mark Gatiss Holmes Ehefrau einen „hundert Jahre alten Spoiler“, der bei Sir Arthur Conan Doyle immer nur als Hintergrundinformation diente, während die Figur nie eine Rolle spielte. Warum sich das also nicht zunutze machen? In der Tat gewinnt die Serie mit der Interpretation der Mary Morstan noch an Tiefe und Dynamik. Auch die anderen Nebenfiguren werden deutlich intensiver eingebunden und die Laborantin Molly (Louise Brealey) kommt als Sherlocks Gehilfin zum Zug.

Sherlock Series 3Überhaupt muss sich der zurückgezogene, schwierige Charakter Sherlock Holmes in der dritten Staffel auch immer um soziales Interagieren bemühen. Sei es weil seine Eltern (besetzt mit Cumberbatch’s richtigen Eltern) überraschend vorbei kommen, sei es weil ihn Marys Trauzeugin attraktiv findet. Dabei mag das Deduzieren, was einen großen Teil des Charmes der Kriminalhandlung ausmacht, gelegentlich ins Hintertreffen geraten, aber es eröffnen sich ganz neue und vor allem überraschende Möglichkeiten, den Meisterdetektiv in Szene zu setzten.

Es ist dieses Überraschungsmoment, dass „Sherlock“ als Serienformat so attraktiv und so gelungen macht. Moffat und Gatiss gelingt es in jeder Staffel erneut, die Erwartungen der Zuschauer zu foppen und zu toppen. Dabei gehen allerdings weder die technischen Spielereien, die blendende Optik, der Witz oder gar die liebevollen Einbeziehungen und Referenzen zu Arthur Conan Doyles Werken verloren. Zum Auftakt werden dabei auch etliche Gerüchte und Theorien über Holmes Tod aufgegriffen und witzig inszeniert. So geht die Serie spielerisch mit dem Hype um und gibt den Fans gleichzeitig etwas zurück, was die Fangemeinde umtreibt, ohne sich ihr anzubiedern.

Sherlock Series 3Und auch in der dritten Staffel gibt es einen übergeordneten dramaturgischen Bogen, der alle Ereignisse zielsicher auf ein furioses Finale hinlenkt. Die abschließende Folge „Sein letzter Schwur“ ist vielleicht die beste Sherlock-Folge bislang. Daran hat der dänische Schauspieler Lars Mikkelsen (Mads Mikkelsens älterer Bruder) einen erheblichen Anteil, denn sein Bösewicht Magnusson ist schlicht wahnwitzig dargebracht. Mit skandinavischer Coolness läuft Magnussen zu sinisterer Hochform auf und fordert Watson und Holmes alles ab, was in ihrer Macht steht.

Und noch als ergänzende Information: Staffel vier ist derzeit geplant und soll 2016 von der BBC ausgestrahlt werden. Außerdem gab es vorab zur dritten Staffel einen siebenminütigen Kurzfilm mit dem Titel „Many Happy Returns“ der zu Weihnachten schon mal auf Sherlocks Rückkehr vorbereitete. Der Film wurde aber bislang nicht deutsch synchronisiert und ist  auch nicht als Bonus auf der ansonsten sehr gut ausgestatteten DVD- und BD-Box enthalten. Dafür gibt es ein sehr informatives 16-seitiges Booklet mit Liner Notes von Michael Ross und Oliver Bayan.

Die BBC-Serie „Sherlock“ läuft auch in der dritten Staffel zur Höchstform auf, glänzt mit bereichernden Charakteren, noch aufwändigerer Produktion und kriminell guten Geschichten. Außergewöhnlich und suchterregend gut.

Serien-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

sherlock_s3_bd_frontSherlock- Staffel 3
OT: Sherlock – Season 3
Genre: Krimi, Thriller, Abenteuer, Serie
Länge: 270 Minuten, GB 2013
Idee & Drehbücher: Steven Moffat, Mark Gatiss
Regie: Jeremy Lovering, Colm McCarthy, Nick Hurran
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Martin Freeman,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Polyband/ BBC
DVD- & BD-VÖ: 31.05.2012

Zum Weiterstöbern

BBC-Homepage zur Serie

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