Western-Klassiker: Ein Mann, den sie Pferd nannten

mann-pferd-1Es muss nicht immer topaktuell sein, um Qualität zu haben. Immer mehr Filmklassiker werden nun auch auf dem High-Definition Standard Blu-ray veröffentlicht und bieten sich für ein Wiedersehen an. Paramount nutzte 2011 den Erfolg des Coen-Films „True Grit“ um noch andere Western erneut auf Blu-ray herauszubringen. Vor allem „Ein Mann den sie Pferd nannten“ ist ein Meilenstein des Genres, der es verdient hat, nun endlich auch für anspruchsvolles Heimkino wiederentdeckt zu werden.

Anno 1825 wird der englische Lord John Morgan (Richard Harris), der mit ein paar Begleitern im Nordwest-Territorium unterwegs ist, von einer Horde Sioux-Indianer überfallen. Während die Begleiter getötet werden, nimmt der Häuptling Gelbe Hand den exzentrischen Lord als Gefangenen. Morgan wird zum Sklaven der Mutter des Häuptlings (Judith Anderson) und seine Existenz ist der eines Haustieres ähnlich. Der Mitgefangene Batise (Jean Gascon) teilt Morgans Schicksal schon seit Jahren. Doch Batise spricht französisch und englisch und so hat Morgan eine Verbindung zum Leben der Indianer.

mann-pferd-2Nach und nach integriert sich Morgan in die Stammesgemeinschaft, sein Ziel bleibt allerdings weiterhin die Flucht. Als er feindliche Crow-Späher tötet und deren Pferde erbeutet, steigt seine Achtung im Stamm. Doch um ein vollwertiges Mitglied zu werden, muss er noch das Ritual des Sonnengrußes überstehen. Dann kann er auch die Schwester von Häuptling Gelbe Hand heiraten.

„Ein Mann den sie Pferd nannten“ ist ein erstaunlicher Western, denn der Film von Elliot Silverstein versucht das Leben der Sioux authentisch und ohne Vorurteile darzustellen. 1970 ist das eine filmische Pionierleistung. In das Drehbuch, das auf einer Kurzgeschichte von Dorothy M. Johnson beruht, sind viele Recherchen über den Lebensstil der Sioux eingeflossen und der Sonnengruß gehörte, bis er von der Regierung verboten wurde, zu den wichtigsten Initiationriten der Sioux. Viele der indianischen Darsteller sind tatsächlich Sioux.

In Szene gesetzt wird eher das menschliche Drama als spannungsgeladene Handlung. Der Spagat zwischen Unterhaltung und Authentizität geht zwar nach Meinung einiger Kritiker nicht immer gut, aber es ist nicht nur das vermeintlich barbarische Ritual, das die Faszination des Westerns ausmacht. Richard Harris, seinerzeit schon ein Star und mit einer Oscar-Nominierung geehrt („Lockender Lorbeer“, 1963) geht in dieser Rolle auf: aus dem gelangweilten Lord wird schnell ein Mensch, der sich seinen Lebensumständen anpasst und ein gewisse Achtung für den ihm fremden Lebensstil empfindet.

mann-pferd-3Dieser Anpassungsprozess ist überzeugend dargestellt und wird unterstützt durch den Verzicht auf eine Übersetzung der Indianersprache. Der Zuschauer versteht nicht mehr als Morgan selbst. „Ein Mann den sie Pferd nannten“ ist allerdings auch ein Kind seiner Zeit, neben der Darstellung der Toleranz und der Achtung für indigene Volker, die dem Geist der Hippies entspricht, sind auch einige wenige Sequenzen eher psychedelisch inszeniert und  mit entsprechend schräger Musik untermalt.

Ach, es gäbe genug über diesen außergewöhnlichen Western zu berichten. Insofern ist es ein wenig schade, dass Paramount die Gelegenheit nicht genutzt hat, um auch etwas Bonusmaterial zu veröffentlichen. Die Ausstattung ist ebenso mau wie bei der 2004 veröffentlichten DVD-Variante. So bleibt dem Zuschauer als Anreiz, sich „Ein Mann den sie Pferd nannten“ (noch einmal) anzuschauen, nur die verbesserte Filmqualität und die Erkenntnis, dass man Filme früher liebevoller synchronisiert hat. Dieselbe Faszination, die ich empfand, als ich den Film vor Jahrzehnten erstmals sah, stellte sich auch wieder ein, sobald das Lager des Stammes erreicht war.

Fazit: „Ein Mann den sie Pferd nannten“ ist und bleibt ein beeindruckender und wichtiger Western, der das Genre erheblich erweitert hat. Der grandiosen Richard Harris ist auf dem Zenit seiner Karriere und wohl in der Rolle seines Lebens zu sehen, die er auch in zwei weniger gelungenen, ja absolut verzichtbaren,  Fortsetzungen verkörperte.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

ein-mann-den-sie-pferd-nannten-660Ein Mann, den sie Pferd nannten
OT: A Man Called Horse
Genre: Western
Länge: 115 Minuten
Regie: Elliot Silverstein
Darsteller: Richard Harris, Judith Andersen, Manu Tupou
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Paramount
Kinostart: 13.08.1970
DVD-VÖ: 01.04.2004
BD-VÖ: 30.06.2011