Süßes Gift: Hilfe als Geschäft

W-film_suessesgift_Turkana_Junge_mit_FischenDie Doku „Süßes Gift – Hilfe als Geschäft“ stellt die internationale Praxis der Entwicklungshilfe in Afrika auf den Prüfstand: 50 Jahre Entwicklungshilfe und kein Effekt in Sicht, außer, dass die Empfänger noch immer in Abhängigkeit leben. Exemplarisch nimmt sich der Film einige ehemalige Großprojekte der klassischen Entwicklungshilfe vor und untersucht ihre Langzeiteffekte. Ein eindringliches Plädoyer von Afrikakenner Peter Heller. Seine Deutschlandpreiere feierte „Süßes Gift“ auf dem Filmfest Hamburg 2012. Jetzt ist der Film auf DVD erschienen.

suessesgift_StauseeAnhand von drei Fallstudien nimmt sich der Dokumentarfilmer und Afrikakenner Peter Heller die Praxis der Entwicklungshilfe vor. Die ist nach landläufiger Meinung dazu gedacht, die armen, vor allem afrikanischen Staaten dabei zu unterstützen sich wirtschaftlich zu entwickeln. Leitgedanke dieses Ansatzes ist, dass mit der wirtschaftlichen Entwicklung auch die Infrastruktur und der Lebensstandard gehoben werden und die Bevölkerung nicht mehr in Armut leben muss und bessere Bildungsmöglichkeiten hat. Doch der Blick auf die Praxis der Entwicklungshilfe fällt vor allem aus afrikanischer Sicht vernichtend aus. Experten wie Simbo Keita, der vor Jahrzehnten  in Deutschland studierte, um seiner Heimat zu helfen und die afrikanische Aktivistin Vore Gana Seck drängen auf eine Abkehr von der noch immer gängigen Entwicklungshilfepraxis. Die drei Fallbeispiele in „Süßes Gift“ scheinen ihnen Recht zu geben.

suessesgift_Mama_ Shishi_BioBaumwolleIn Tansania wurde in den 1970ern mit großen Investitionen versucht, den Baumwollanbau von einer traditionellen Arbeitsweise auf eine industrielle umzustellen, um die Erträge zu steigern. Es wurden teure Maschinen angeschafft, Düngemittel und Pestizide eingesetzt und mit teuren Entwicklungshilfekrediten bezahlt. Doch das Projekt scheiterte, die Schulden wuchsen, die Umweltschäden sind nicht zu verachten, die Erträge gingen zurück, die Bevölkerung verarmte.  In Mali würde mit großem technischem Aufwand der Manatali-Staudamm gebaut und viele Dörfer wurden umgesiedelt. Der Strom, der hiererzeugt wird, sollte mehrere Länder mitversorgen. Was zum Teil auch geschehen ist, allerdings wird der einheimischen Bevölkerung die Stromversorgung vorenthalten und die Lebensbedingungen der Entwurzelten sind schlechter als zuvor.

suessesgift_Simbo KeitaAuch am Turkanasee in Kenia hat man versucht, der Bevölkerung zu helfen, ohne auf deren Lebensweise Rücksicht zu nehmen: Aus viehzüchtenden Nomaden sollten Fischer werden, mit viel Aufwand wurde eine Fischereiindustrie installiert, die nicht funktionierte.

Nur drei Beispiele, die zeigen, dass Entwicklungshilfe in ihrer bisherigen Ausprägung vor allem den Geberländern zu Gute kommt, denn diese liefern Know-How und Technik und kurbeln damit ihre eigene Wirtschaft an, so fließt vieles von den Geldmitteln im Grunde wieder zurück, während die afrikanischen Staaten auf den Kreditschulden sitzen bleiben.

Doch Experten wie Simbo Keita machen auch deutlich, dass die Afrikaner auch eine Mitverantwortung an ihrer Situation tragen. Die Frage, warum sich weite Teile diese armen Kontinents nicht entwickeln – was auch immer das konkret bedeutet – ist nicht nur mit einer Weiterführung des Kolonialismus mit wirtschaftlichen Mitteln zu beantworten. Vor allem aber die Nothilfe, die Versorgung von Nahrung schafft eine absurde Abhängigkeit, die einen Teufelskreislauf in Gang setzt, der sich immer weiter fortsetzt und dazu führt, dass die Einheimischen jeden Antrieb für ihr Leben zu sorgen, verlieren. Auch hier kommen die Nahrungsmittel aus den Geberländern und wirken sich dort wirtschaftlich aus.

Doch es gibt auch neuere, nachhaltige Ansätze zur Entwicklung. Eine nachhaltige Baumwollfarm setzt bewusst auf ökologische Standards und traditionelle Wirtschaftsweisen und schafft es so, den Lebensstandard vielen Menschen substantiell zu verbessern.

suessesgift_Vore Gana_SeckFilmisch kann Filmmacher Peter Heller auch auf Archivaufnahmen zurückgreifen, die die damaligen Projekte begleitet haben, und kontrastiert diese mit dem Istzustand, mit Interviews von Experten und betroffener Bevölkerung. Hoffnung sieht anders aus. Neu sind die Fakten und Befunde in Peter Hellers Film nicht, zumindest für jene die sich für die Probleme Afrikas interessieren. Doch „Süßes Gift“ entwickelt eine Eindringlichkeit und zeigt klar, das Entwicklungshilfe eben keine solche ist. Sondern zumindest in der weiterhin verbreiteten Praxis eine eigene Hilfsindustrie, die vor allem den Geberländern zu Gute kommt. Dabei vertritt der Film ganz deutlich einen afrikanischen Standpunkt und bemüht sich auch nicht um Gegendarstellungen. Auch in den „Industrieländern“ gibt es seit Jahren kritische Stimmen bezüglich der Entwicklungshilfe und zum Teil wird versucht, nachhaltige Ansätze zu etablieren. Hilfe zur Selbsthilfe ist kein neues Schlagwort.

Es werden auch andere Ansätze angesprochen, die vor allem auf mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit der armen Staaten hinauslaufen und Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich die ärmsten Länder Afrikas aus dieser Spirale befreien könnten. Dass sich für die Empfängerländer und Regionen von Entwicklungshilfe etwas ändern muss, steht außer Frage.

Fazit: Der Dokumentarfilm „Süßes Gift – Hilfe als Geschäft“ legt auf drastische Weise offen, wie Entwicklungshilfe häufig eben nicht dazu beiträgt, die Situation für die armen Regionen Afrikas zu verbessern, sondern die Lage eher noch verfestigt. Vor dem nächsten weihnachtlichen Spendenmarathon sollte man sich „Süßes Gift“ anschauen, um sinnvolle Projekte zu unterstützen.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

suessesgift_plakat_A3Süßes Gift: Hilfe als Geschäft

Genre: Dokumentarfilm
Länge: 91 Minuten, D 2012
Regie: Peter Heller
Mitwirkende: Simbo Keita, Vore Gana Seck
Vertrieb: W-Film
FSK: ohne Altersbeschränkung
Kinostart: 08.11.2012
DVD VÖ: 25.05.2013

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