„The Beats – Geschichte der Beat-Literatur“ als Graphic Novel

beatsEin Sachcomic. Herausgegeben und konzipiert von Harvey Pekar („American Splendor“) und Paul Buhle, umreißt „The Beats“ ein literarisches Phänomen mittels Künstlerbiografien. Die Graphic Novel schafft den erstaunlichen Spagat zwischen Belehrung und Unterhaltung und hat Neueinsteigern ebenso viel zu bieten wie Literaten.

Die Beat-Generation, jenes Konglomerat aus nonkonformistischen Dichtern und Autoren, die Ende der 1950er Jahre gegen den amerikanischen Kleingeist rebellierten, ist an sich schon ein schwammiges Konstrukt. Jack Kerouac („On the Road“), Allen Ginsberg („Howl“) und William S. Burroughs („Naked Lunch“) mögen dem Literaturinteressierten ja noch geläufige Namen sein, aber reicht das schon aus, um eine ganze Generation mit einem Namen zu versorgen?

Mein Alltag ist Handlung genug

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Der im Sommer 2010 verstorbene Harvey Pekar gelangte in der Comicszene durch seine autobigrafische Comic-Serie „American Splendor“ zu literarischen Ehren und bescheidenem Weltruhm. In späteren Jahren verlegte sich Pekar auf Comic-Biografien und brachte 2009 zusammen mit Paul Buhle, außerordentlicher Professor an der Brown University und Herausgeber eine Comic-Kunst-Reihe, „The Beats“ heraus, das im Herbst 2010 auf deutsch erschienen ist. Illustriert und gezeichnet werden die meisten der Pekar-Stories von Ed Piskor, einem langjährigen Weggefährten.

Anhand von Künstlerbiografien zeichnet Pekar mit etlichen Mitstreitern einen Umriss der Beat-Szene, der naturgemäß verkürzt und mit Lücken versehen ist. Doch was an Ausführlichkeit fehlt, macht „The Beats“ durch das Aufzeigen von Verbindungen und Wirkungen, gegenseitiger Beeinflussung und Gemeinsamkeiten mehr als wieder wett – und, vielleicht am wichtigsten, durch einen wunderbaren Erzählfluss.

Unterwegs mit Sucht und Muttersöhnchen

beats_titel_3.inddBeinahe selbstverständlich nimmt auch in der Graphic Novel die Beatnik-Dreifaltigkeit Kerouac, Ginsberg, Burroughs den größten Anteil ein und die sich überschneidenden Lebensschilderungen machen etwa die Hälfte des Buches aus. Dabei geht es durchaus kritisch zu und Pekar ist schlau und kompetent genug, die Ikonen nicht einfach auf ein Podest zu stellen, sondern zeigt auch die Charakterschwächen und Abschweifungen der einflussreichen Literaten. Leben und Werk gehören zwar zusammen, müssen aber nicht immer in harmonischem Einklang stehen.

Den zweiten Teil der Graphic Novel bilden die Kurz-Biografien unbekannterer Beats und Künstler, die in enger Verbindung zur Szene stehen. Fixpunkt der ganzen Szenen ist die legendäre Lesung, bei der unter anderem Ginsberg sein einflussreiches Gedicht „Howl“ zum ersten Mal vortrug. Pekar weiß, wovon er spricht: Durch seine jahrelange Nebentätigkeit als Jazzkritiker hat er einen guten Überblick und, ganz wichtig, auch einen musikalischen Zugang zu den Poeten.

Jazz und Lyrik

Nun kommen auch andere Comicautoren und Zeichner zum Zug und gestalten das bunte Treiben auf höchst eigene und kreative Weise. Hier gibt es für Menschen, die sich schon mit den Beats beschäftigt haben, deutlich mehr geistiges Neuland zu entdecken. Die Verbindung zur „klassischen“ literarischen Szene Amerikas und die Einflüsse auf die Hippies und die Protestbewegungen der 1960er werden deutlich und in höchst unterhaltsamer Weise dargestellt.

the-beats-a-graphic-historyAber es gibt auch themenspezifische Beiträge wie die Frauenfeindlichkeit der Beatniks und die künstlerische Verbindung von Lyrik und Jazz. Sogar Jackson Pollock wird mit seiner Kunst in das Umfeld der Literarischen Bewegung gebracht.

Das alles wären für sich genommen schon Themen, die, wie die Künstler-Biografien, wissenschaftliche Abhandlungen füllen könnten. Doch gerade durch die zur Flapsigkeit neigende Darstellung als Comic erhält „The Beats“ eine Lebendigkeit, die dröge Abhandlungen nie erreichen können. Auch der saloppe und  aufrichtige, keineswegs anhimmelnde Tonfall ist erfrischend und steht einem Werk über rebellische Künstler ausgezeichnet zu Gesicht.

„The Beats“ wurde von der amerikanischen Kritik zurecht gefeiert und bietet mehr als nur eine schöne Einführung in die Beat-Literatur. Fortgeschrittene Leser sollte schon allein die zeichnerische Auferstehung der Künstler reizen. Wer außerdem noch ein originelles Weihnachtsgeschenk braucht, kann bedenkenlos zugreifen.

Comic-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

beats_titel_3.inddTitel: The Beats – die Geschichte der Beat-Literatur
OT: „The Beats -A Graphic History“
Herausgeber: Harvey Pekar & Paul Buhle
Länge: 208 Seiten
Verlag: Walde + Graf, Zürich
VÖ: September 2010

Weiterführende Links:
Verlagsseite zu „The Beats“
Harvey Pekar in der deutschen und englischen Wikipedia
Pekars Online-Comic-Projekt auf Smithmag.net

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