Kameradschaft: Solidarität und Völkerverständigung

Im April hat Atlas Film mit einer Reihe von filmischen Wiederveröffentlichungen begonnen. Produktionen der Berliner Nero-Film werden in restaurierter Fassung und lobenswerter Aufmachung als Mediabook veröffentlicht. Den Auftakt machen Werke des Regisseur Georg Wilhelm Pabst. Neben dem Antikriegsfilm „Westfront 1918“ wurde auch das große Bergarbeiter-Drama „Kameradschaft“ neu aufgelegt. Der Film ist in der deutschen Kinolandschaft der frühen 1930er Jahre schon ein Solitär.

Der erste Weltkrieg ist gerade einmal 10 Jahre her und das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen ist nicht gerade gut. Die ehemaligen Feinde auf dem Schlachtfeld begegnen sich mit vielen Vorbehalten. Auch in der grenznahen Bergbauregion kommen deutsche und französische Kumpel mehr schlecht als recht miteinander aus, wenn sie sich denn mal begegnen. Da kommt es beim kleinen Grenzeinkauf schon mal zu Missverständnissen, die auch in einem Handgemenge enden können.

Als es in dem französischen Bergwerk zu einem Grubenunglück kommt, bei dem 600 Kumpel verschüttet werden, besinnt sich der deutsche Bergarbeiter Wittkopp auf die Arbeitersolidarität und stellt auf seiner Seite der Grenze einen Hilfstrupp zusammen. Trotz aller Widrigkeiten gelingt es dem Rettungstrupp über die Grenze zu kommen und den französischen Kollegen zu helfen. Gleichzeitig besinnt sich ein Bergbau-Veteran, dass die beiden Gruben eigentlich eine sind. An der Grenze wurde im Schacht nach Kriegsende einfach eine Mauer gebaut. Zusammen mit ein paar Kollegen macht man sich auch untertage daran, den französischen Kumpels zu helfen.

G.W.Pabsts Drama „Kameradschaft“ basiert auf einer realen Begebenheit: dem Grubenunglück von Courrières im Jahre 1906. Die Handlung wurde allerdings aktualisiert und geographisch an die deutsch-französische Grenze verfrachtet. Ganz ausdrücklich spricht sich der Regisseur für die internationale Arbeitersolidarität aus und gibt damit in seinem vierten bzw. fünften (wenn man eine französiche Version eines früheren Films mitzählt) Tonfilm ein politisches Statement ab. Das ist ungewöhnlich zu einer Zeit, in der die Machtverhältnisse in der Weimarer Republik so unstet sind und es den meisten Filmschaffenden eher um Unterhaltung zu gehen scheint.

Fritz Langs Meisterwerk „Metropolis“ hat 1927 eine nicht minder sozialistische Botschaft, versteckt diese aber hinter einem futuristischen Filmsetting. Anders G.W. Pabst, der sich mit „Westfront 1918“ (1930) bereits als flammender Pazifist zu erkennen gab. Nun wird das immer noch angespannte Verhältnis zu den französischen Nachbarn ebenso thematisiert wie die Solidarität der arbeitenden Bevölkerung. Sicherlich ist „Kameradschaft“ in seiner inhaltlichen Ausrichtung und seiner wenig subtilen Art in der Rückschau schon sehr nahe an realsozialistischer Agitprop sowjetischer Prägung.

Dabei menschelt es allerdings ordentlich in „Kameradschaft“ und viele Rollen sind mit Laiendarstellern besetzt, um authentischer zu wirken. Auch wurde nicht in Studio gedreht, sondern „On Location“ und der Film kam seinerzeit in die Kinos, ohne die französischen Figuren zu übersetzen. „Kameradschaft“ ist bewusst und ein bisschen arg didaktisch zweisprachig angelegt, um auch zu zeigen, wie es zu Missverständnissen kommen kann, einfach, weil man die Sprache des anderen nicht versteht. Umgekehrt kam der Film in Frankreich mit nicht übersetzen deutschen Dialogen in die Kinos.

Die Wirkung lässt sich heutzutage nicht mehr so ganz nachvollziehen, weil der geneigte Zuschauer in der Home Entertainment Edition von Atlas Film ja die jeweiligen Untertitel zuschalten kann und so die sprachliche Verwirrung aushebelt. Aber dieser experimentelle Umgang mit Sprache im Film zeigt auch, wie künstlerisch der Umgang mit dem filmischen Gestaltungsmitteln seinerzeit sein konnte. Der Tonfilm hatte sich gerade einmal seit einigen Jahren etabliert, es gab noch viele handgemachte Filmeffekte wie etwa bei Lotte Reinigers Scherenschnitt-Filmen und die Filmschaffenden versuchten die Stilmittel ebenso effektiv wie ausdrucksstark einzubringen.

Auch wenn die Handlung aus heutiger Sicht ein wenig schlicht wirkt, so bleibt die Botschaft in Zeiten entfesselten Kapitalismus doch aktuell. Zudem ist „Kameradschaft“ handwerklich meisterlich gearbeitet und ebenso Zeitdokument wie klassisches deutschen Kino.

Film-Wertung:8 out of 10 stars (8 / 10)

Kameradschaft
OT: Kameradschaft
Genre: Drama,
Länge: 89 Minuten, D, 1931
Regie: Georg Wilhelm Pabst
Darsteller: Alexander Granach, Fritz Kampers, Daniel Mendaille, Ernst Busch, Elisabeth Wendt, Gustav Püttjer, Oskar Höcker, Marcel Lesieur, Hélèna Manson, u.a.
Extras: 24 Seiten Booklet, deutsche und französische Filmfassung,
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Vertrieb: Alive AG, Atlas Film, Nero-Film
Kinostart: 17.11.1931
DVD- & BD-VÖ: 13.04.2018

„Kameradschaft“ bei Wikipedia

„Kameradschaft“ beim Filmprotal des Deutschen Filminstituts

„Kameradschaft“ bei Atlas-Film