Karnak: Der Makel in allen Dingen

Ende August 2017 geht in den USA auf dem Pay-TV-Sender ABC die Marvel-Serie „Inhumans“ an den Start. In den letzten Jahren und vor allem seit dieser absurde Terrigen-Nebel durch die Marvel Comic-Welt waberte, sind die Mutanten in aller Munde. Nun veröffentlicht Panini-Comics hierzulande die Miniserie „Karnak – Der Makel in allen Dingen“ und der hochgelobte Comic-Autor Warren Ellis setzt den Mystiker der Inhumans damit in ein düsteres Licht.

Was macht man mit einem „Superhelden“ der benannt ist nach einer altägyptischen Tempelanlage? Wer sich mit den aktuellen Inhumans etwas beschäftigt hat, ist vielleicht schon mal über den seltsamen Typen gestolpert. Aber auch in dem sehr lesenswerten „Civil War II“ –Megaband hat der Mystiker einen Auftritt in einem ausgedehnteren Storybogen. Dort nämlich soll er den Inhuman Ulysses, das menschliche Orakel, das den zweiten Superheldenbürgerkrieg erst auslöst, ausbilden. Aber das führt anm dieser Stelle dann auch schon zu weit.

Waren Ellis‘ Miniserie kann man getrost ohne Vorwissen genießen; wie übrigens fast alle kürzeren Serien und Megabände die bei Panini Comics aus dem DC oder Marvel-Universum veröffentlicht werden. In diesem Fall, wie auch bei vielen anderen Marvel Stories sorgt Christian Endres mit einem ebenso kompetenten wie knackigen Intro für einen Überblick über die auftretenden Figuren und eine chronologische Einordnung in die Unübersichtlichkeiten der Superhelden-Comic-Universen. Das kann man an dieser Stelle ruhig mal würdigen.

Quengeln als Superpower

Also, Karnak: Als eingermaßen mitdenkender Superhelden-Comicfan muss man diesen durchgeknallten Charakter einfach grandios finden – oder ihn abgrundtief verachten. Was für eine Back-Story: Ein Mutant, der nicht mutiert ist, eine Superheld, dessen Superpower es ist, den Fehler in allem und jedem zu finden. Quasi ein metaphysicher Dauernörgler, der auch noch den Tod überwunden hat. Und auch dies muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Karnak war tot, hat den Schwachpunkt des Jenseits gefunden und kehrte in die Welt der Lebenden zurück. Aus philosophischer Sicht geht’s kaum unkaputtbarer. Ich finde das granidos, weil es so durchgeknallt ist.

Aber was fängt man nun mit so einer Figur an, vor allem, wenn sie eine ganze Miniserie aus sechs US-Ausgaben füllen soll? Starautor Warren Ellis experimentiert ja gerne mal mit philosophischen Spielchen („Supergod“), die sich nicht in Genregrenzen zwängen lassen, und hat für Marvel Comics auch schon „Moon Knight“ zu neuem Leben erweckt. So kontaktiert die Agentenorganisation S.H.I.E.L.D in Gestalt von Agent Coulson (bekannt aus den Avengers-Filmen) den Kampfmönch und bittet ihn um Hilfe, denn in Belangen der Inhumans, ist S.H.I.E.L.D nicht zuständig.

Der Fall ist folgender: Ein junger Mann ist verschwunden, der nach der Terrigenese scheinbar keine Fähigkeiten entwickelt hat, außer, dass seine Allergien verschwunden sind. Die Eltern suchen verzweifelt nach ihrem Sohn, denn sie glauben, der wäre entführt worden. Und so verlässt Magister Karnak seinen philosophischen Turm der Weisheit und landet bei einer obskuren Sekte in Berlin.

Mit normalen Superhelden-Abenteuern hat Warren Ellis’s „Karnak“ relativ wenig am Hut, stattdessen zaubert der Autor eine düstere Story um einen grimmigen Antihelden hervor, die sich mit Philospohie und Glauben auseinandersetzt. Das hört sich nun deutlich langweiliger an, als es tatsächlich ist. Ähnlich wie in der „Supergod“-Story lotet Ellis mit dieser Miniserie auch die Grenzen des Superhelden-Genres aus.

Furios ist auch die grafische Umsetzung von Gerardo Zafiro, Antonio Fuso und Roland Boschi, die für düstere und ziemlich harte Action sorgen, die zudem extrem dynamisch inszeniert ist. Die sehr gelungenen Farbgebung von Dan Brown gibt dem Ganzen einen einheitlichen Look, der kongenial zu der finsteren Story passt. Die Stile der Zeichner sind durchaus unterschiedlich, aber das Artwork fließt, während die Serie voranschreitet, relativ harmonisch ineinander.

Die Marvel-Mini-Serie „Karnak“ von Starautor Warren Ellis ist eine kleine Überraschung im Superhelden-Comic-Mainstream der Inhumans-Welt. Düster, abgründig und handgreiflich geht Magister Karnak mit nihilistischer Philosophie auf die Suche nach dem Haar in der Suppe.

Comic-Wertung:9 out of 10 stars (9 / 10)

Karnak: Der Makel in allen Dingen
OT: Karnak 1-6, Marvel Comics, 2015-16
Genre: Superhelden,
Autor: Warren Ellis
Zeichner: Gerardo Zaffino, Roland Boschi
Farben: Dan Brown
Übersetzung: Stefan Pannor
Verlag: Panini Comics, Softcover, 140 Seiten
VÖ: 22.08.2017

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