Civil War II Megaband: Verbrechen und Vorsehung

Aktuell stehen die Zeichen in Kosmos der Comic-Superhelden des Marvel Verlags ganz auf Bürgerkrieg. Der ist entbrannt um die Frage, ob verbrechen schon im Vorfeld zu bestrafen sind, sich Übeltäter allein mit der kriminellen Absicht strafbar machen und ob die Ordnungskräfte einschreiten sollen. Im großen Megaband zu dem Event „Civil War II“, der Anfang Mai auf Deutsch im Panini Verlag erschienen ist, gibt es einen Haufen in sich abgeschlossener Geschichten, die auch ohne Vorwissen spannende Unterhaltung abliefern. Mit dabei das Wiedersehen mit dem Kingpin, das Erwachen eines Inhuman, die Selbstzweifel des neuen Captain America und mehr.

Mit schöner Regelmäßigkeit trieben die amerikanischen Comic-Mainstream-Verlage eine Eventsau durch das Superhelden-Comic-dorf. Marvel scheint dabei fleißiger zu sein. Und so steht momentan der „Civil War II“-Event an. Der Grundkonflikt, der die Superheldenschaft spaltet hängt an der Frage, ob die Visionen eines Inhumans dazu genutzt werden dürfen und können, Verbrechen im Vorfeld zu vereiteln. Während Carol Danvers als Captain Marvel eindeutig für diese „Pre-Crime“ Methode ist, ist Tony Stark alias Iron Man, der einst mit seinen Bemühungen, dass sich Superwesen registrieren lassen sollten, für den ersten „Civil War“ gesorgt hat, nun gegen diese restriktive Orwell’sche Gesellschaftsordnung, die auf den Sci-fi-Autor P.K. Dick schon zu einer Kurzgeschichte inspirierte, aus der Regisseur Steven Spielberg dann 2002 den Film „Minority Report“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle machte. Die Haupt-Story von „Civil War II“, um die sich dann etliche Serien und mini-Serien ranken, schrieb Brian M. Bendis, der bereits bei dem „Age of Ultron“ –Event die Geschichte beisteuerte.

Aber den geneigten Leser braucht nicht mehr Basisinformation, um die einzelnen Stories zu verfolgen. Auch das gehört zu den Superhelden-Events: Die Grundhandlung ist simpel und jederzeit abrufbar. So auch in den im „Civil War II“-Megaband vorliegenden Geschichten. Für die 14 US-Ausgaben, die der Megaband beinhaltet, dient der Event lediglich als loser Faden, als thematischer Überbau. Ansonsten haben die Geschichten um den Kingpin (5 US-Hefte), Ulysses (3 US-Hefte) und Captain America: Sam Wilson (4 US-Hefte) wenig miteinander zu tun und sind auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Eventsangesiedelt.

Die Geschichte „Turm der Weisheit“ (OT: Civil War II: Ulysses) handelt etwa davon, wie jener Inhuman, der durch seine Fähigkeiten die Pre-Crime-Kiste erst möglichmacht, lernt, seine Kräfte und seine Visionen auch zu kontrollieren. Dazu ist Ulysses zu Ausbildungszwecken bei dem Inhuman-Mystiker Karnak (dessen Mini-Serie demnächst bei Panini erscheint). Autor Al Ewing erzählt eine Coming of Age Geschichte, die mit eigenwilligen Charakteren bevölkert ist und einen eher hilflosen jungen Mann zeigt, der unter seinen außerordentlichen Fähigkeiten leidet. Das Artwork von Jefte Palo ist solide, wenn auch nicht spektakulär, lebt aber von einigen originellen Einfällen, was das grafische Erzählen angeht. (Einzelwertung (7/10 Punkten).

Auch die beiden jeweils eine US-Ausgabe umfassenden Erlebnisse von Scarlet Witch und Winter Soldier sind grundsolide und zeigen weitere Aspekte des Superhelden-Konflikts wie Geschwisterliebe und Freundschaft. Das ist actionreich (bei Wintersoldier bzw. Thunderbolts) oder psychologisch (bei Scarlet Witch) umgesetzt, und unterhaltsame Superhelden-Unterhaltung. (Einzelwertung jeweils (7/10 Punkten).

Die Kingpin-Story von Autor Matthew Rosenberg und Zeichner Ricardo Lopez Ortiz allerdings ist das absolute Highlight dieses Megabandes. Ganz wie man das erhofft, stellt die Rückkehr von Wilson Fisk alias Kingpin aus San Franzisko nach New York dar. Dem ewigen Widersacher von Spider-Man und vor allem Daredevil gelingt es in den fünf US-Ausgaben der abgeschlossenen Story mit viel Zynismus und einem resoluten Masterplan, seinen angestammten Platz in der Gangsterwelt des Big Apple zurückzuerobern. „Civil War II: Kingpin“ ist großartig geschrieben, die Finsternis der Story wird von dem kongenialen Artwork von Ricardo Lopez Ortiz noch auf die Spitze getrieben. Auch die tolle und effektive Farbgebung trägt dazu bei, dass das Kingpin Abenteuer eine absolutes Thriller-Meisterwerk ist, das locker mit dem „Daredevil“-Glanzzeiten von Chris Ward mithält. (Einzelwertung 10/10 Punkten).

Auch Nick Spencers Geschichte um Captain America: Sam Wilson ist sehr gelungen und schafft es neben der soliden Grundspannung auch aktuelle politische Themen in die Story einzuarbeiten. Als Afroamerikaner wird Sam Wilson, der ehemals Falcon war, nicht von allen Amerikanern als der neue Captain Amerika akzeptiert. Vor allem auch, weil er gegen Machtmissbrauch und rassistische motivierte Polizeigewalt und Pre-Crime deutlich Stellung bezieht. Das passt vor allem der amerikanischen Waffenlobby nicht, die eine private Sicherheitstruppe namens Americops als offizielle Polizei etablieren will. Zudem spiegelt die Story mit ihrem Twitter-Hashtag #gibdenschildzurück in gewisser Weise auch das Medienverhalten des aktuellen US-Präsidenten. Spencer liefert eine starke Story die den besten Arbeiten von Autor Ed Brubaker als Captain America Autor in nichts nachsteht. Künstler Angel Unzueta zeichnet düster und dynamisch und enorm viel Energie. Vor allem beeindruckt die Story aber durch die detaillierte und mit Schattierungen gearbeitete Farbgebung. Da darf man fast traurig sein, dass nicht die ganze Serie bei Panini aufgelegt wird. (Einzelwertung (9/10 Punkten)

Nachdem die bekannteren Marvel-Superhelden wie Spider-Man und andere in den bereits erschienenen „Civil War II“- Sondebänden 1 bis 3 Abenteur rund um das Event erlebten, sind nun andere am zug und schllagen sich nicht minder bravurös. Allein schon wegen der herausragenden, düsteren Kingpin-Story im hard boiled Crime Stil lohnt sich der „Civil War II“-Megaband, aber auch die anderen Storys sind zum Teil große Superhelden-Comic-Unterhaltung.

Comic-Wertung:9 out of 10 stars (9 / 10)

Civil War II Megaband
OT: CW II: Kingpin 1-3, CW II: Ulysses 1-3, Captain America: Sam Wilson 10-13, Scarlet Witch 9, Thunderbolts 5
Autoren: Nick Spencer, Al Ewing, et al.
Zeichner: Daniel Acuna, Joelle Jones, et al.
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Verlag: Panini Comics, Softcover, 234 Seiten,
VÖ: 09.05.2017