Victoria – Staffel 1: Zepter statt Puppen

Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, dass eine ganze Ära nach ihnen benannt wird. So etwa die englische Königin Victoria, deren Regentschaft mehr als 60 Jahre währte und Großbritannien eine Blütezeit bescherte. Die junge Vitoria ist nun auch  beim britischen Sender ITV zur Serienheldin aufgestiegen. Nun bringt Edel Motion die erste Staffel von „Victoria“ als Home Entertainment Premiere auch hierzulande auf den Markt.

Als im Jahr 1837 überraschend der englische König verstirbt, ist die junge Alexandrina Victoria (Jenna Coleman), die Prinzessin von Kent, die nächste in der Thronfolge. Die erst 18jährige nutzt die neue Rolle auch, um der häuslichen Bevormundung zu entkommen. Dazu verlegt die Regentin, die sich fortan Königin Victoria nennt, ihren Amtssitz aus dem provinziellen Kensington Hall in das Anwesen Buckingham Hall in London. Ihre Mutter (Catherine Flemming) und vor allem deren Bekannter Sir John Conroy (Paul Rthys) erhoffen sich, als Berater Einfluss auf die Regierungsgeschäfte nehmen zu können.

Doch Victoria ist froh, der Gängelung der Mutter entgangen zu sein und behält einzig ihre Gouvernante Baroness Lehzen (Daniela Holtz) in ihrem engeren Umfeld. Dennoch ist die Monarchin noch unerfahren und der charmante englische Premierminister Lord Melbourne (Rufus Sewell) bietet der Königin seine Dienste als Berater an. Gerüchte über eine amouröse Beziehung kursieren schnell und die Familie der Königin will eine Heirat arrangieren. Doch von dem vorgeschlagenen Bräutigam, Cousin Albert (Tom Hughes)  aus dem  mehr oder minder verarmten Geschlecht der Coburgs, will Victoria nichts wissen. Als Albert und sein Bruder Ernst dem englischen Hof einen unangemeldeten Besuch abstatten, findet  Victoria ihren Cousin, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat, doch ganz ansehnlich. Ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruht.

Es gibt einige Verfilmungen, die sich mit dem Leben und der Ehe der englischen Königin Victoria beschäftigen, die später aufgrund ihrer großen Nachkommenschaft als “Großmutter Europas“ tituliert wurde, da ihre Nachkommen praktisch in allen europäischen Königshäusern vertreten waren. Zuletzt hatte Regisseur Jean-Marc Vallée die jungen Jahre der Königin Victoria 2009 in dem Spielfilm „Victoria, die junge Königin“ mit Emiliy Blunt in der Titelrolle verfilmt.

Die in Großbritannien mit beachtlichen Einschaltquoten ausgestrahlte erste Staffel der Serie „Victoria“ beruht auf einem Drehbuch der erfolgreichen TV-Produzentin Daisy Goodwin, die daraus auch einen Roman gemacht hat. Faktisch stützt sich die romantische Drama-Serie auf das Sachbuch „Victoria: A Life“ von A.N. Wilson. Daisy Goodwin inszeniert ihre junge Heldin in recht moderner Art und Weise. Von britischer Zurückhaltung oder zeitgemäßer Verstocktheit keine Spur. Stattdessen stellt sich die junge Regentin als recht eigenwillig und willensstark dar, kann den diplomatischen Gepflogenheiten zurückhaltender Konversation kaum gerecht werden und spricht aus, was ihr durch den Kopf geht. Bisweilen entsteht so der Eindruck einer noch recht kindlichen, verzogenen Göre und nicht der, einer verantwortungsbewussten Monarchin. Aber vielleicht müssen historische Persönlichkeiten heutzutage auf diese Weise dem jungen Zielpublikum nahegebraucht werden.

Premierminister Melbourne findet das höchst erfrischend und ist schnell von der energischen Monarchin angetan, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht, da Victoria ihren Vater früh verloren hat und in Melbourne dennoch mehr sieht als nur den väterlichen Freund und geschickten politischen Berater. Von den Regierungsgeschäften in England bekommt der Zuschauer in der ersten Staffel von „Victoria“ nur am Rande etwas mit, da die Monarchie schon damals vor allem repräsentativen Charakter hat und das Parlament die Macht im Lande ausübt.

Trotz allem aber ist die in der ersten Staffel häufig aus diversen Richtungen in Frage gestellte „Regierungsfähigkeit“ Victorias und die Akzeptanz im Volk auch eine politische Dimension dieses Seriencharakters. In der zweiten Hälfte der ersten Staffel überwiegt das das Romantische Element in der Handlung vollends, denn mit Albert findet Victoria einen Ehemann, der eine glückliche Beziehung verspricht. Aber ohne Probleme, vor allem in der Anfangsphase der Ehe, entwickelt sich auch diese Liebe nicht.

Neben den eindeutigen Fokus der Serienhandlung auf die Titelheldin, hat die Serie aber noch parallele Handlungsebenen. So wird auch die Dienerschaft um Baroness Lehzen und den Haushaltsleiter Penge (Adrian Schiller) immer wieder ins Bild gerückt. Dabei nimmt die junge und neue Angestellte Skerrett (Nell Hudson) eine zentrale Rolle ein, denn sie ist ähnlich jung wie die Königin, trägt scheinbar ein Geheimnis mit sich herum und dann wirft der neue Hofkonditor noch ein Auge auf sie. So ergibt sich im Prinzip eine Serienhandlung, deren Erfolgskonzept sich in „Downton Abbey“ erwiesen hat. Mit dem Auftreten der Brüder Albert und Ernst entwickelt sich auch eine weitere Handlungsebene, in der Ernst, der ältere Bruder von Albert, sich in eine von Victorias Hofdamen verleibt, die ist allerdings verheiratet.

Die britische Erfolgsserie „Victoria“ ist zumindest in der ersten Staffel unterhaltsam und kurzweilig ausgefallen. Die Handlung weist zwar immer wieder etliche und auch überflüssige Variationen des jeweiligen Episoden-Themas auf, aber die wirklich großartige Besetzung um Jenna Coleman („Doctor Who“) und Tom Hughes („Alles eine Frage der Zeit“) spielt erfrischend und überzeugend auf. Gerade Rufus Sewell rettet als verschmitzter Premierminister so einige zu lang geratene Szenen und Momente.

Auch die Ausstattung ist sehr opulent ausgefallen und die zeitgenössische Mode wird für TV-Serien-Verhältnisse aufwändig wiedergegeben. Auch die Settings, die überwiegend in Yorkshire, im Castle Howard und Harewood House gefilmt wurden sind gelungen und sorgen für majestätischen Glanz auf dem Bildschirm. Die CGI-Aufnahmen des damaligen Londons hingegen wirken viel zu glatt, zu gleichförmig und zu weichgezeichnet, was zum Teil dem Serienkonzept geschuldet ist, zum Teil aber auch – wahrscheinlich aus Kostengründen – schlicht etwas oberflächlich geraten ist.

Die historisch-romantische ITV-Serie „Victoria“ über die jungen Jahre der englischen Königin bietet bildprächtige Unterhaltung und kann auf eine sehenswerte Besetzung bauen. Dabei wird der historische Rahmen dezent in Szene gesetzt und lässt so genug Raum für romantische Fiktionalisierung der Handlung. Staffel 2 kommt mit Sicherheit.

Serien-Wertung:6 out of 10 stars (6 / 10)

Victoria Staffel 1
OT: Victoria Season 1
Genre: TV-Serie, Historie, Romanze
Länge: 395 Minuten, 8 Episoden
Idee & Drehbuch: Daisy Goodwin
Regie: Tom Vaughn, Sandra Goldbacher, Oliver Blackburn,
Darsteller: Jenna Coleman, Tom Hughes, Daniela Holtz, Rufus Sewell,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edel Motion , ITV
DVD- & BD-VÖ: 31.03.2017