Holodomor – Bittere Ernte: Liebe in Zeiten des Stalinismus

Das Verhältnis der Ukraine zu Russland ist nicht erst aktuell angespannt, sondern reicht weit zurück in die Vergangenheit. In den Dreißigerjahren des 20. Jahrunderts sorgte Stalins rigorose Kollektivierungspolitik für ein massenhaftes Verhungern der ukrainischen Landbevölkerung vor allem im Osten und Süden. Dieses „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wird „Holodomor“ genannt und bildet den Hintergrund für ein Drama, das nun bei Pandastorm als DVD- und Blu-ray-Premiere erschienen ist.

Der junge Yuri Katchynuk (Max Irons) wächst  zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der ländlichen Idylle einer reichen Dorfgemeinschaft in der Ukraine auf. Obwohl er von Kosaken abstammt und sein Vater (Barry Pepper) und Großvater (Terence Stamp)  geachtete Krieger sind, hat Yuri einen Hang zum Schöngeistigen und will Maler werden. Außerdem ist er seit gemeinsamen Kindheitstagen in die temperamentvolle Natalka (Samantha Barks) verliebt.

Doch die Zeiten sind unruhig und als die Bolschewiken den Zar umbringen, steht ein Zeitenwandel bevor. Die kommunistische Revolution in russland bringt der Ukraine allerdings nicht die erhoffte Unabhängigkeit, das reiche Agrarland ist als Kornkammer zu wertvoll für die Sowjetunion. Nach Lenins Tod übernimmt Stalin die Macht in der Sowjetunion und zu Beginn der 1930er Jahre bracht er für seine politischen Pläne eine deutliche Erhöhung der Agrarproduktion. Das bekommen vor allem die ukrainischen Bauern zu spüren, deren  Abgabequoten derart erhöht werden, dass kaum genug zum Leben bleibt. Zudem erhöht Stalin den Druck, die Kollektivierung mit allen Mitteln durchzusetzen. Besonders rabiat gehen dabei die Rotarmisten von Kommandant Sergej (Tamer Hassan) vor.

Als sich Yuris Dorf der Kollektivierung widersetzt, stirbt sein Vater im Kampf und die Situation der Bauern wird immer elender. Wenig später heiratet Yuri trotzdem seine Jugendliebe Natalka. Doch das Glück ist von kurzer Dauer, denn Yuri muss aus Sicherheitsgründen nach Kiew gehen. Dort kann er zwar Kunst studieren, ist aber von Heimat und Familie getrennt.

Der „Holodomor“ ist zweifellos eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit des 20. Jahrhunderts und auch wenn sich die Ukraine und Russland nicht darüber einig werden können, ob die Geschehnisse als „Genozid“ zu werten sind, die Katastrophe bleibt unbenommen. Darüber filmisch zu erzählen ist eine wichtige Aufgabe und Regisseur Georg Mendeluk, der in Kanada lebt und in Augsburg geboren wurde, hat durch seine ukrainische Abstammung durchaus einen persönlichen Bezug zum Thema. Das allein macht „Holdomor – Bittere Ernte“ allerdings noch nicht zu einem sehenswerten Film.

Es ist nachvollziehbar und üblich, die menschliche Katastrophe durch Personalisierung emotional fassbar zu machen. Doch die Liebes- und Leidesgeschichte des jungen Yuri Katchynuk ist leider derart schablonenhaft erzählt, dass sich selten genug ein Mitfühlen einstellt. Zudem ist Charakterdarsteller Barry Pepoper mit seiner kleidsamen Kosakentolle schon recht bald aus der Handlung eliminiert und auch Terence Stamp hat nur wenige Auftritte. Den Großteil müssen also die Jungen um Max Irons und Samantha Barks bestreiten. Die schlagen sich ganz redlich, aber ihre holzschnittartigen Figuren geben nicht allzuviel her. Yuris Freunde, die früher mach Kiew gingen als er, sind kaum mehr als Stereotypen, denen das Drehbuch von Mendeluk und Richard Bachynsky-Hoover markante Sätze der patriotischen Ukrainischen Kommunisten und der Intelligentia in den Mund legt, die eher an Gefloskel erinnern, als dass sie glaubhaft wirken.

Zudem fungiert Yuri auch als Erzähler, der einen größeren Kontext herstellen soll, dabei aber auch etliches an Spontaneität und Überraschungsmoment aus der Handlung herausnimmt. Dass der Held dabei auch noch persönlich an fast allen wichtigen Aspekten des ukrainischen Widerstands beteiligt ist, wirkt überzogen. Die streng linear und chronologische Erzählstruktur führt zudem zu einer unnötigen Ausweitung des Handlungszeitraums, wo doch eigentlich nur die wenigen Jahre zu Beginn 1930er Jahre wirklich dramaturgisch interessant sind.

Zudem wirken auch die Überblendungen in die Machtzentrale nach Moskau sehr aufgesetzt. Den Diktator Stalin, der zunächst nur von Kinn bis Schnauzer in die Kamera bölkt, macht die Ansagen seiner Machtpolitik immer direkt vor der szenischen Umsetzung in der Ukraine. Das hat man auch schon mal eleganter gesehen. Dabei wirkt Stalin (Gary Oliver) allerdings auch nur mäßig bedrohlich. All diese Mankos in der Erzählung werden nur zum Teil durch die Opulenz der Bilder wieder aufgewogen. Gerade der bonbonfarbene Beginn wirkt überzeichnet paradiesisch, später werden die Farben gesetzter, gedämpfter und düsterer, wenn sich die Hungersnot zuspitzt. Der Dreh an ukrainischen Originalschauplätzen hat sich allerdings gelohnt und auch die Ausstattung wirkt Zeitgeist gemäß und stimmig.

Es gibt auch in der jüngeren Filmhistorie etliche Beispiele, wie sich menschliche Katastrophen inszenieren lassen: Fatih Akin hat mit „The Cut“ eine wesentlich stimmigere Bearbeitung des türkischen Völkermordes an den Armeniern vorgelegt. Andrzey Wadja hat eindrucksvoll „Das Massaker von Katyn“ inszeniert und sogar Edward Zwick gelang es, mit „Defiance – Unbeugsam“ besser und spannender den osteuropäischen  Widerstand gegen die Nazis zu beleuchten.

„Holdomor –Bittere Ernte“ gelingt es nicht, der großen Bürde gerecht zu werden, angemessen und interessant von einem der größten Verbrechen der Stalin-Ära zu erzählen. Vielleicht war das Thema einfach zu groß.

Film-Wertung:4.5 out of 10 stars (4,5 / 10)

Holodomor – Bittere Ernte
OT: Bitter Harvest
Genre: Drama, Kriegsfilm,
Länge: 104 Minuten, Kanada, 2017
Regie: George Mendeluk
Drehbuch: Richard Bachynsky-Hoover, George Mendeluk
Darsteller: Max Irons, Samantha Barks, Barry Pepper, Tamer Hassan, Terence Stamp,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Pandastorm / Edel
Extras der Special Edition: Dokumentation, Interview mit Wilfried Jilge (Osteuropahistoriker), Originaltrailer, Trailershow,