Ghost In The Shell: I sing the Body Electric

Mit seinem Manga „Ghost In The Shell“ schuf der japanische Comiczeichner und –Autor Masamune Shirow 1989 einen Science-Fiction-Klassiker, der 1995 von Mamoru Oshii als Anime verfilmt wurde.  Der Anime gilt aufgrund seiner visuellen Elemente als Meilenstein des Genres und inzwischen gibt es etliche, ziemlich populäre Fortschreibungen der „Ghost In The Shell“-Reihe. Nun kommt der japanische Kultfilm als Realverfilmung mit Hollywood-Star Scarlett Johansson in die Kinos und weiß vor allem optisch zu überzeugen.

Im Jahr 2029 verfügt eigentlich fast jeder über kybernetische Körper-Optimierungen. Doch die Wissenschaftler experimentieren schon lange damit, ein menschliches Gehirn in eine kybernetische Hülle zu verpflanzen. Endlich gelingt dies den Forschern der Hanka Corporation in Gestalt von „Major“. Die Frau wurde bei einem Unfall so schwer verletzt, dass der Körper nicht zu retten war, nun findet sich ihr Bewusstsein („Ghost“) – ohne viel Erinnerung an ihre menschliche Existenz – in einem bionischen Körper („Shell“) wieder. Das macht „Major“ (Scarlett Johannson) zu einer fast perfekten Waffe und sie wird der Anti-Terrorismus-Einheit der „Sektion 9“ zugeteilt.

Knapp ein Jahr nach ihrer „Geburt“ bekommen es Major und ihre Truppe mit einem Cyber-Terroristen zu tun, der scheinbar systematisch die Führungsebene der Hanka Corporation ausschaltet. Der Unbekannte hackt sich in die Gehirne der Menschen und löscht deren Erinnerungen. Bei der fiebrigen Suche nach dem Terroristen erlebt Major immer wieder „Glitches“ – Aussetzer und Verzerrungen der Wahrnehmung – und auch unsortierte Erinnerungsfragmente.

Im Jahr 2017 hat „Ghost in The Shell“ mit einem eigentlich erstaunlichen Phänomen zu kämpfen: Der Blockbuster-gestählte Zuschauer ist mittlerweile dermaßen an Computer-generierte (CGI), visionäre Settings gewöhnt, dass es schon Einiges braucht, um das Publikum zu beeindrucken. Die seltsam transparenten riesigen Hologramme, die das Stadtbild der namenlosen Metropole prägen, sind eine neuer Augenschmaus, während andere Elemente einem schon aus „Matrix“, „Minority Report“ oder auch „Blade Runner“ bekannt vorkommen. Stilsicher inszeniert ist „Ghost in The Shell“ dennoch.

Vor allem Scarlett Johannson, deren kampfbetonte Rolle auch an den Auftritt als „Black Widow“ in „The Avengers“ erinnert, ist ein Blickfang. Und die übrige Besetzung kann sich ebenfalls sehen lassen, selbst wenn die Darsteller wie in den „Marvel“-Comicverfilmungen eher in kleinen, aber tragenden Rollen zu sehen sind.  Juliette Binoche gibt die mütterliche Wissenschaftlerin, die „Major erschaffen hat. Japans Star Takeshi „Beat“ Kitano („Hana-Bi“) als Boss der Sektion 9 wird leider  auf seine kauzige Frisur und seine bekannten Baller-Fähigkeiten reduziert. Dafür weiß der Däne Pilou Asbæk („Borgen – Gefährliche Seilschaften“, „A War“, „Ben Hur“) als blondierter Kampfhüne und Side-Kick Batou umso mehr zu überzeugen.

Nach der Kinovorstellung habe ich schon einige Leute getroffen, die die Story etwas lahm fanden. Was mich zunächst erstaunte, ist nachvollziehbar, weil der Kinozuschauer inzwischen regelmäßig mit diversen Superwesen und futuristischen Ausblicken auf die Entwicklung der Menschheit bombardiert wird. Der Manga „Ghost in The Shell“ hat immerhin schon 30 Jahre auf dem Buckel und war schon damals bei weitem nicht der erste, der sich mit Künstlicher Intelligenz und Maschinenbewusstsein beschäftigt hat. P.K. Dick hat „Do Androids Dream of Electric Sheep?“, bekanntlich die Vorlage für Ridley Scotts “Blade Runner” (1982), bereits 1968 geschrieben. Und auch der grandiose Kurzgeschichten-Autor Ray Bradbury hat sich schon 1969 in der Kurzgeschichte „I Sing the Body Electric“, von der die Headline entlehnt ist, mit  intelligenten Robotern beschäftigt. Masamune Shirows Cyber-Punk-Saga „Ghost in he Shell“ steht definitiv in dieser Tradition.

Ebenso bekannt ist, dass die Geschwister Wachowski sich in ihrem bahnbrechenden „Matrix“ bei japanischen Zeichentrickfilmen Inspiration geholt haben – unter anderem bei dem Anime „Ghost in The Shell“. Iim Grund geht es auch in Matrix um das menschliche Bewusstsein, das sich an eine veränderte, technisierte Umwelt anpassen muss. So bleibt es nicht aus, dass einem unbedarften Zuschauer die 2017-Version von „Ghost in the Shell“, die keineswegs ein bloßes Remake ist, nicht so spektakulär vorkommen mag, wie sie optisch eigentlich ist.

Das Manko allerdings liegt in der philosophischen Inhaltsleere, die die Realverfilmung im Vergleich zu Manga und Anime aufweist. Sicher muss man Live-Action mit anderem Tempo und anderer Schnittfolge erzählen als Zeichentrickfilme, aber dabei ist der metaphysiche Hintergrund um die Fragen „Was Mensch Sein eigentlich ausmacht und wo Maschine eigentlich anfängt?,  ziemlich eingedampft worden. Stattdessen setzt Regisseur Rupert Sanders („Snow White And The Huntsman“) auf einen düsteren Krimi-Thriller und die Jagd nach einem Terroristen. Auch das könnte man als Anleihe aus der Filmgeschichte verstehen, denn Ridley Scotts „Black Rain“ (1989) hat ein ähnlich düsteres, dystopisches Setting aufzuweisen, wenngleich Micheal Douglas und Andy Garcia im damaligen Tokyo deutlich in der Gegenwart agierten. Der Bösewicht bleibt lange im Hintergrund, wird von Miachel Pitt toll dargestellt, muss aber auch quasi alleine die philosophischen Fragen aufwerfen.

„Ghost in The Shell“ ist heute ein immer noch erfolgreiches Franchise, das neben Mangas und zwei Anime-Spielfilmen auch diverse Serien hervorgebracht hat, die diese zukünftige Fantasiewelt bereichern. Wer allerdings Mamoru Oshiis Anime kennt, weiß, was 2017 im Kino auf ihn zukommt. Ich für meinen Teil bin ein großer Liebhaber von Zeichentrickfilmen und bevorzuge diese im Fall von „Ghost in the Shell“.

Mit Rupert Sanders Version von „Ghost in the Shell“ flimmert ein potentieller Blockbuster über die Leinwand, an dem es formal und inhaltlich wenig zu meckern gibt, außer dass das Anime-„Original“ einfach poetischer und schöner ist.

Film-Wertung:6 out of 10 stars (6 / 10)

Ghost In The Shell
OT: Ghost In The Shell
Genre: Sci-Fi, Action, Thriller
Länge: 107 Minuten, USA, 2017
Regie: Rupert Sanders
Darsteller: Sacrlett Johansson, Juliette Binoche, Takeshi Kitano, Pilou Asbæk
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Paramount
Kinostart: 30.03.2017