Europa – Ein Kontinent als Beute: Wohin?

Politische Dokus gibt es im Kino im Grunde zu wenige. Es scheint als wäre das Genre eher etwas, um das TV-Programm aufzuwerten. Aber dennoch kommen einige Dokus auf die Leinwand, die sich mit poitischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen beschäftigen. So auch „ Europa- Ein Kontinent als Beute“ der am 23. Februar 2017 in die Kinos kommt. Selbst wenn das Pulsmessen am europäischen Projekt den Filmmachern Christoph Schuch und Reiner Krausz etwas entglitten scheint: Ansatzpunkte zur Diskussion bietet „Europa – Ein Kontinent als Beute“ dennoch zur Genüge.

Die Filmmacher haben sich – ausgehend von der Fragestellung „was läuft angesichts der ganzen Krisen und Protestbewegungen schief in Europa“- aufgemacht, genau das zu untersuchen. Dazu machen sie sich nach Spanien, Portugal und Griechenland auf, wollen dort die Stimmung einfangen und das Ganze mit Experteninterviews fundieren. So ganz geht das angestrebte Stimmungsbild allerdings nicht auf. Vor allem nehmen die Gespräche mit den drei Experten sehr viel Raum ein und bilden so den Schwerpunkt der Doku. Daneben beschränken sich die Aufnahmen vor Ort abgesehen von zwei Projekten in Valenica und in Portugal auf stimmungsvolle, von Klangkollagen unterlegte Bilder von Bauruinen und Demonstrationen. Einfach den Imbiss „Die letzte Bratwurst vor Amerika“ am äußeren westlichen Ende Portugals zu zeigen, kann nicht mehr sein als Anregung zur Diskussion.

Die gezeigten Demos werden weder räumlich und zeitlich verortet und auch die Aufnahmen der Bauruinen entlang der alternativen Stadtführung der „Route der Verschwendung“ in Valencia muten eher wie architektonische Betrachtungen an. Erst die begleitenden Worte  der Aktivisten weisen die Bauwerke als unfertige und auf absehbare Zeit nicht weiter verfolgte Großprojekte hin, die der Stadt Valencia wertvolle Finanzmittel für sozial dringend notwendige Projekte abgezogen haben.

Stattdessen dürfen sich die  drei Experten ziemlich ausführlich über ihre Sicht auf Europa auslassen: Der linke EU-Parlamentarier Fabio  De Masi sieht Bürokratie und Demokratie in der Brüsseler EU-Zentrale mit Besorgnis, weil es zu wenige Kontrollmöglichkeiten gäbe und der Einfluss der Lobbyisten immer größer werde. Der Wirtschaftsexperte Dirk Müller thematisiert die Schwierigkeit, global agierende Konzerne zu kontrollieren und konstatiert faktisch ein Aushebeln der politischen Macht. Der  Historiker Dr. Daniele Ganser zeigt die Abhängigkeit der europäischen Politik von der US-amerikanischen Hegemonialmacht und thematisiert das „Feindbild Russland“.

All dies sind durchaus diskutable Punkte, wenn es darum geht, Europa als Kontinent und als politisches Projekt zu betrachten. Aber es bleiben vor allem unkritisch vorgetragene Thesen.  Dr. Ganser zitiert sogar vor der Kamera aus seinem Buch, um die amerikanische Vorherrschaft mit einem Beispiel zu belegen. Wahrer wird das dadurch nicht, ist aber ein bisschen Eigenwerbung, die man als Filmmacher eigentlich unterbinden könnte.

Auch der im Wesentlichen eurokritische und linke Standpunkt der Doku ist in sich plausibel und findet in dem einen oder anderen Zuschauer Resonanz. Das ist für eine Doku durchaus legitim und gelegentlich sogar wünschenswert. Nur wird in „Europa – Ein Kontinent als Beute“ wenig diskutiert und viel konstatiert. Vieles wird angerissen, etliches an Thesen und Standpunkten einfach auf den Zuschauer losgelassen, ohne weiter hinterfragt zu werden. Die Expertengespräche hätte man sicherlich auch kritischer gestalten können, oder die Thesen besser unterfüttern. So ist „Europa – ein Kontinent als Beute“ näher an dem „Manifest für ein egalitäres Europa“ von Karl Heinz Roth und Zissis Papadimitriou als an der sehr empfehlenswerten Doku „Democracy – Im Rausch der Daten“ von David Bernet, die unteranderem einmalige Einblicke in die politische Arbeit der EU in Brüssel liefert.

Insgesamt bleibt in der Doku „Europa – Ein Kontinent als Beute“ zu vieles Behauptung, ohne tatsächlich ein Stimmungsbild hervorzurufen. Als Diskussionsgrundlage über die Entwicklung des Projektes Europa und die Teilhabe der Menschen hat die Doku allerdings ihren Wert.

Film-Wertung:5 out of 10 stars (5 / 10)

Europa – Ein Kontinent als Beute
Genre: Doku, Politik,
Länge: 78 Minuten, D, 2017
Regie: Christoph Schuch, Reiner Krausz
Mitwirkende: Fabio  De Masi, Dirk Müller,  Dr. Daniele Ganser.
FSK: nicht geprüft
Vertrieb: Edition Salzgeber
Kinostart: 23.02.2017

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