The Sea of Trees: Den Wald vor lauter Bäumen nicht

Als der amerikanische Filmmacher Gus van Sant 2015 in Cannes seinen neuen Film „The Sea of Trees“ vorstellte, war das Interesse ziemlich groß; nicht nur, weil mit Matthew McConaughey und Naomi Watts zwei absolute Hollywood-Stars in dem Drama zu sehen sind. Doch bei den Fachvertretern kam „The Sea of Trees“ eher durchwachsen an und so startete der Film gar nicht erst in den deutschen Kinos. Nun ist das Drama bei Ascot Elite als Premiere für das Home-Entertainment erscheinen.

Nach dem Tod seiner Frau Joan (Naomi Watts) hat der amerikanische Mathematik-Lehrer Arthur Brennan (Matthew McConaughey) beschlossen, sein Leben ebenfalls zu beenden. Dazu fliegt er nach Japan, um in dem weltbekannten Selbstmörder-Wald Aokigahara am Fuße des Fuji-Berges sein Leben zu beenden. Doch just als Arthur sich zum Sterben niedergelassen hat, taumelt ein schwerverletzter Mann durch sein Gesichtsfeld. Takumi Nakamura (Ken Watanabe) will nicht mehr sterben, hat sich aber hoffnungslos verirrt. Arthur beschließt dem Mann zu  helfen, und gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach einem Weg aus dem Wald, doch sie haben sich hoffnungslos verirrt.

Man möchte meinen, mit Filmen, die im Wald spielen, hat Regisseur Gus van Sant kein glückliches Händchen. So schickte er 2005 in „Last Days“ seinen an Kurt Cobain angelehnten Protagonisten Blake, gespielt von Michael Pitt, auf einen seltsamen Selbstfindungstrip in den Wald. Und auch McConnaugheys Arthur ist zugleich eine tragische Gestalt, die mit sich ringt, aber ebenso mit den Wendungen des Drehbuchs zu kämpfen hat. So bleibt auch „The Sea of Trees“ eine filmisch durchwachsene Angelegenheit.

Dabei beginnt das Drama durchaus stringent und als Zuschauer muss man erst einmal rätseln, was Arthur da tut, wenn er einfach so nach Japan fliegt. Zumal den meisten Zuschauern der legendäre japanische Selbstmörderwald nicht geläufig sein wird. Erst in Rückblenden, die eigentlich wohldosiert sind, entfaltet sich das ganze Drama von Arthurs Verlust und der letzten gemeinsamen Zeit mit seiner Gattin Joan, die nicht gerade glücklich und harmonisch verlaufen ist.  Das Auftauchen des mit aufgeschnittenen Pulsadern vor sich hin stolpernden Takumi wirkt da zunächst befremdlich und vielleicht auch ein bisschen wie schwarzer Humor. Die seltsame Wanderung  der beiden Fremden nimmt so manche unerwartete Wendung, hat aber auch ihre wirklich gelungenen Szenen.

Im Grunde ist das Drehbuch von Chris Sparling („Buried“) wohl einfach zu überladen und letztlich findet hier so ziemlich jeder Aspekt irgendeine Art von Auflösung und alles fügt sich zusammen. Einerseits wir hier ein gefühlvolles Drama über Verlust und Trauer erzählt, andererseits exerziert das Script sämtliche katastrophalen Wendungen durch, die man sonst an dem Action- oder Horror-Genre kennt. Kaum etwas, was den beiden Selbstmordkandidaten nicht zustößt. Und auch bezüglich Joans Sterben übertreibt es das Drehbuch einfach um der überraschenden Wendung wegen.

Der japanische Selbstmörderwald Aokigahara war im vergangenen Jahr auch Schauplatz des Horror-Thrillers „The Forrest“, in dem eine junge Frau auf die Suche nach ihrer vermissten Schwester geht. Dort war der Wald als Filmcharakter trotz eindeutiger Genrezugehörigkeit deutlich imposanter als in Gus van Sants „The Sea of Trees“. Das mag damit zusammenhängen, dass die Waldszenen (mangels Dreherlaubnis?) nicht am Originalschauplatz gedreht wurden, sondern in Massachusetts. Immerhin wird die Weite, dunkle Waldatmosphäre aber deutlich.

Die drei gestandenen Schauspieler wissen es durchaus, ihre Figuren mit Leben und Dramatik zu füllen, so dass die Darstellung durchaus überzeugend ist. Die Stimmung des Films allerdings schwankt zu sehr, als dass man sich letztlich an der lebensbejahenden Botschaft erfreuen kann. Gus van Sant hat einige großartige und auch ambitionierte Filme gedreht (U.a. „Elephant, „Good Will Hunting“,  „Milk“) und versteht es im allgemeinen und auch in „The Sea of Trees“ auch die Emotionen, gerade die dunklen, seiner Figuren einzufangen (wie etwa auch in „Restless“), aber als Gesamtwerk ist „The Sea of Trees“ irgendwie im überfrachtet. Weniger wäre mehr gewesen.

Als Bonusmaterial der DVD-Premiere gibt es ein kurzes „Making Of“, das vor allem Interviews mit Naomi Watts und Matthew McConaughey („Dallas Buyers Club“)  sowie Auszüge der Pressekonferenz in Cannes zeigt, die mit Filmausschnitten bebildert werden. Das ist kein wirklicher Blick hinter die Kulissen, sondern eher die handelsübliche Lobhudelei auf das gerade beendete eigene Werk.

Letztlich gelingt es den sehenswert agierenden Stars, allen voran Matthew McConaughey nicht, gegen die Untiefen des überfrachteten Drehbuchs anzuspielen. Weniger wäre mehr gewesen.

Film-Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

The Sea of Trees
OT: The Sea of Trees
Genre: Drama
Länge: 107 Minuten, USA, 2015
Regie: Gus Van Sant
Darsteller: Matthew McConaughey, Naomi Watts, Ken Watanabe
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Ascot Elite Home Entertainment
DVD- & BD-VÖ: 13.01.2017