Rico, Oscar und die Tieferschatten: Das gruselige Hinterhaus

Es kommt selten genug vor, dass ein Kinderfilm gleichermaßen auch für erwachsenen Zuschauer funktioniert. Wer am Freitag, 6.1.2017, zur Primetime den Fernseher einschaltet, darf sich auf „Rico, Oskar und der Tieferschatten“ freuen. Der Film nach dem Roman von Andreas Steinhöfel macht so ziemlich alles richtig, was einen tollen Film ausmacht.

Rico (Anton Petzold) heißt eigentlich Frederico und ist acht Jahre alt. Er ist ein wenig langsamer als andere Kinder –  tiefbegabt sagt er selbst – und lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter (Caroline Herfurth) in der Diefenbachstraße in Berlin. Rico ist extrem wissbegierig und hat einen Merkrekorder für alle seine Fragen, die im Laufe des Tages auftauchen. Mit einigen Hilfsmitteln kommt Rico gut zurecht, während seine Mutter in einer Bar den Lebensunterhalt verdient.

Momentan allerdings treibt ein Kindesentführer, genannt Mister 2000, sein Unwesen. Und gerade hat Mister 2000 wieder ein Kind geraubt. Der Kinderschreck wird auch der Schnäppchenentführer genannt, weil seine Lösegeldforderungen so billig sind, dass die Eltern sich gar nicht erste bei der Polizei melden, sondern gleich bezahlen.

Rico und seine Nachbarschaft

Rico kennt fast alle Nachbarn in der Diefe 93: Es gibt nette wie Frau Dahling (Ursula Monn), immer beschäftigte wie Herrn Kiesling (David Kross) und Herrn Marrak (Axel Prahl) und doofe, wie Herrn Fitzke (Milan Peschel). Und dann wäre da noch der Neue (Ronald Zehrfeld). Der hat sich zum Einzug mit Blumen vorgestellt. Das Hinterhaus der Diefe ist allerdings recht gruselig, weil leerstehend und einsturzgefährdet. Rico, der im Dunkeln Angst hat, sieht hier häufig besonders fiese, richtig tiefe Schatten. Freunde hat Rico eigentlich nicht und muss sich deshalb von den blöden Kesslerzwillingen als Spaghettispasti verspotten lassen.

Aber das mit dem Freund soll sich bald ändern, als Rico in den Ferien Oscar (Juri Winkler) über den Weg läuft. Oscar ist hochbegabt und geht nie –  Nie!-  ohne Helm aus dem Haus und nie – Nie! – ohne zu gucken über die Straße. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, sind die beiden Jungs ein ziemlich gutes Team. Oscar will am nächsten Tag wiederkommen. Rico bleibt extra zu Hause, aber Oscar taucht nicht auf. Vielleicht ist da was passiert?

Man hätte bei die Verfilmung von Andreas Steinhöfels Kinderbuchbestseller „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ ziemlich in den Sand setzen können, aber die deutsche Produktion ist eine nahezu perfekte Filmadaption einer großartigen Vorlage. Freundschaft und Abenteuer, Witz und Tempo machen Neele Leana Vollmars tollen Film nicht nur für Kinder zu einen Erlebnis. Dabei nimmt der Film seine jungen Zuschauer bei allem Spaß auch Ernst. Eigentlich die Grundvoraussetzung für einen guten Kinderfilm; kommt aber selten genug vor.

Ein sympatischer und tiefenbegabter Held

Der Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel gilt als einer der besten seines Faches und die Idee zu den „Rico und Oscar“-Büchern, die der Autor auch selbst illustriert hat, kam ihm während einer Schreibblockade. Inzwischen wurde „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ mit etlichen, auch internationalen Kinderbuchpreisen ausgezeichnet und die Film-Trilogie ist mittlerweile auch schon komplett und mit großem Erfolg in den Kinos gelaufen.

Dem Filmteam um Regisseurin Neele Leana Vollmar („Maria, ihm schmeckt‘s nicht“) gelingt es, den besonderen Charme des Buches in entsprechende Bilder zu packen. Ungewöhnliche Kameraperspektiven und ein gelungener Soundtrack gehören auch dazu. Außerdem bedient man sich eines hinreißenden vorlagengetreu animierten Vorspannes. Und wenn Rico sich selbst Wörter oder Redewendungen erklärt, kommen ebenfalls sehr originelle und lustige Animationen zum Zug. Das bereichert die normale Filmhandlung um einige Szenen, bei denen auch Erwachsene noch etwas lernen können.

Tolle junge Darsteller:innen

Dass der famosen Besetzung der Erwachsenenrollen in dieser Film-Besprechung so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist beabsichtigt und eine Qualität des Films. Karoline Herfurth, Axel Prahl, Milan Peschel, Ursula Mohn, Katharina Thalbach, David Kross und Ronald Zehrfeld spielen absolut so toll auf, bleiben aber Nebenfiguren, die Rico und Oscar zu keinem Zeitpunkt die Schau stehlen. Das schlagfertigen Drehbuch und die liebenswerten, eigenwilligen Gestalten kommen sehr lebensnah und trotzdem kindgerecht rüber.

Im Zentrum von „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ steht aber das Thema Freundschaft. Für die beiden Außenseiter, die von Anton Petzold und Juri Winkler ziemlich überzeugend gespielt werden, werden zu Freunden und müssen selbstverständlich auch ein Abenteuer bestehen, um ihre Freundschaft zu festigen. Die Spannung ist aber wohldosiert. Außerdem werden in „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ viele Themen und gesellschaftliche Probleme angesprochen und fast beiläufig ins Bild gerückt, die absolut gar nichts mit einer schönen heilen Kinderwelt zu tun. Da ist eventuell Erklärungsbedarf angesagt. Eine Moralkeule benötigt die Geschichte allerdings nicht, um gelegentlich auch nachdenklich zu stimmen, sondern baut die gesellschaftlichen und familiären Problemaspekte mit offenherzigem Witz in die Geschichte ein; über das Lachen zum Nachdenken.

Viel perfekter kann man einen Kinderfilm nicht machen. Im Kinojahr 2014 war „Rico, Oskar und der Tieferschatten“ einer der besten deutschen Filme.  Ein wenig mehr von der kindlichen Offenheit, die Oscar und Rico an den Tag legen, würde uns allen gut tun.

Film-Wertung 9 out of 10 stars (9 / 10)

Rico, Oscar und der Tieferschatten
Genre: Kinderfilm, Abenteuer, Komödie
Länge: 92 Minuten, D, 2014
Regie: Neele Leana Vollmar
Darsteller: Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth, Ronald Zehrfeld, Ursela Monn
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Twentieth Century Fox
Kinostart: 10.07.2014
DVD- & BD-VÖ: 12. Dezember 2014