Sandman Overture: Anfang, wo es anfängt.

Als Autor Neil Gaiman 1989 mit seiner epischen Fantasy-Comic-Reihe „The Sandman“ begann, konnte kaum einer ahnen, dass sich „Sandman“ zum Kultklassiker entwickelte, der vor allem deshalb so einflussreich und beliebt war, weil er auch für eine andere Leserschaft interessant war als nur den ewigen männlichen Teenager-comic-Nerd. Anlässlich des 25. Jubiläums von „The Sandman“ kehrte Neil Gaiman nach vielen Jahren endlich zu seiner großen Erfolgsserie zurück und schuf eine Vorgeschichte, ein Prequel, das ungeahnt großartig ausgefallen ist. Das liegt nicht nur an der außergewöhnlichen erzählerischen Gabe Gaimans, sondern auch und vor allem am großartigen Artwork von Zeichner J.H. Williams II und Kolorist Dave Stewart. „Sandman: Overtüre“ ist nun bei Panini Comics erschienen.

Dream, Mitglied der gottgleichen Ewigen und Herrscher über die Träume, der unter vielen Namen bekannt ist, wird zu einer absurden Versammlung gerufen: Konfrontiert mit etlichen Aspekten seines Seins muss er sich vor allem mit der Abwesenheit eines bestimmten Teils seiner Persönlichkeit beschäftigen. Und so geht Dream auf die Suche nach jenem Teil von sich, der eine leerstehende Welt hinterlassen hat und scheinbar spurlos verschwunden ist. Begleitet wird Dream von den Ewigen dabei von Dream von den Katzen; jedenfalls so lange dieser das gefällt, denn Katzen lassen sich nicht lenken. Die Suche führt zu Nornen, die den Schicksalsfaden spinnen und in die Stadt der Sterne. Denn ein Stern, der wahnsinnig wurde, scheint der Auslöser für Dreams Problem zu sein.

Es würde definitiv die Seiten sprengen, wenn ich an dieser Stelle die gesamte „Sandman“-Saga heranziehe, um zu zeigen, wie gut Gaimans Rückkehr zu dem Herrn der Träume geworden ist. Das Schöne an der Geschichte „Sandman: Overtüre“, die vor der eigentlichen Saga ansetzt, die Gaiman mit etlichen hochbegabten Zeichnern und Koloristen im Kern von 1989 bis1996 umsetzte, ist, dass sie auch ohne Vorwissen und Kenntnis der Story funktioniert und neugierige Comic-Leser einfach anfangen können, ohne sich lange um den Kontext zu scheren.

Die Neugier kommt dann von ganz alleine, denn „Sandman“ ist Jahrzehnte nach dem ersten Erscheinen noch in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Der Storyteller Gaiman („Miracleman Band 4“, „Der Sternenwanderer“) verquickt wie gehabt etliche Genres zu einem stimmigen Ganzen, baut Referenzen zu Literatur und Kulturgeschichte ein, die unaufdringlich sind und sich natürlich in den Fluss integrieren, der Dream auf seine seltsame und fantastische Reise schickt. Das ist an sich schon ganz große Klasse.

Zudem ist mit J.H. Williams II eine Ausgeburt an zeichnerischer Kreativität für die grafische Umsetzung verantwortlich, wie man sie selten trifft. Aber Williams hat große Freiräume, um seine extrem variablen Zeichenstile in der Geschichte einzusetzen. Dazu kommt mit Dave Stewart ein ebenso genialer Kolorist. In diesen Comic-Seiten, die immer wieder aufregend, neu und ungewöhnlich gestaltet sind, kann man sich als Leser in Details verlieren, oder die wunderbare Geschichte einfach direkt noch einmal lesen, nachdem man sie bei ersten Mal verschlungen hat.

Wenn auf dem Einband das amerikanische Comic-Magazin IGN zitiert wird „Jede einzelne Seite ist ein Kunstwerk“ dann ist das nicht übertrieben. „Sandman: Overtüre“ ist  großartig, fantastisch, überbordend. Neil Gaiman, der Superstar der Fantasy wird seinem Status ebenso gerecht, wie der legendären Saga „Sandman“ selbst.

Comic-Wertung:10 out of 10 stars (10 / 10)

Sandman: Overtüre
OT: Sandman: Overture 1-6, Vertigo, 2013-2015
Autor: Neil Gaiman
Zeichner: J. H. Williams III
Farben: Dave Stewart
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Verlag: Panini Comics, Softcover, 180 Seiten
VÖ: 15.11.2016

Sandman bei Panini

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