Prinzessin Fantaghirò – Komplettbox: Märchenhafte Vollbedienung

fantaghiro-szenenfoto-4-vorschauIn den 1990er Jahren stand die italienische TV-Produktion „Fantaghirò“ in der Zuschauergunst hierzulande ganz weit oben. Die epische Fantasy-Reihe um eine junge Prinzessin, die als Mann verkleidet Kriege beendet und böse Mächte zurückschlägt, hat eigentlich alles, was auch moderne Fantasy-Epen heutzutage ausmacht, allerdings in deutlich harmloserer und naiverer Art und Weise. Vielleicht trifft der Begriff Märchen die Sache auch besser als der neumodische Begriff Fantasy. Wie auch immer, Studio 100 hat die Rechte an „Prinzessin Fantaghirò“ erworben und rechtzeitig vor Weihnachten die  Blu-ray-Komplettbox der Serie wieder auf den Markt gebracht.

Über 900 Minuten Spieldauer, das ist ein Berg, der erst einmal gesichtet werden will, daher kommt die Vorstellung auch nicht Punktgerecht zur Veröffentlichung. Aber wo fängt man an, sich der Sache zu nähern? Als die Serie, die im Grunde genommen gar keine fortlaufende ist, sondern eigentlich aus fünf Staffeln mit jeweils 180 Minuten Spieldauer besteht, über die deutschen Bildschirme flimmerte, war ich definitiv raus aus dem Alter, sich dafür zu interessieren und ich wage auch mal zu behaupten, dass sich „Fantaghiro“ vor allem an eie weibliche Teenager-Zielgruppe richtet. Aber wie ich bei der Sichtung festgestellt habe, jetzt, wo ich definitiv zu alt  für das Thema bin, der Reiz der Serie ist über die Jahrzehnte erhalten geblieben.

fantaghiro-szenenfoto-1Der liegt in zweierlei Aspekten: Zum einen die romantischen Abenteuer der Prinzessin Fantaghirò, die sich als roter Faden immer wieder durch die Episoden ziehen, auch wenn Romualdo schon längst von der Bildfläche verschwunden ist, aber dazu komme ich gleich. Das zweite Standbein der Fantasyserie sind die überbordenen Settings und Effekte. Hinreißender Weise haben sich die Ausstatter nicht weiter um historische Genauigkeit dieser Geschichte gekümmert, die auf einem toskanischen Volksmärchen aus dem 9. Jahrhundert beruht, und wild alles durcheinandergemengt, was an fantastisch und exotisch wirkenden Kostümen und Ausstattungen mit dem Budget zur Verfügung stand.

fantaghiro-szenenfoto-2Anfangs wirken Romualdo und seine Freunde wie die Abgesandten eines barbarischen Stammes. In Felle gekleidet und bärtig hätte das Trio es auch als Germanen mit Caesars Römertruppen aufnehmen können. Mit dem Auftauchen der Schwarzen Hexe wird es futuristisch und ein wenig tolkienesk, wenn die schwarzen Ritter, aus Schachfiguren geschaffen,  düster und bedrohlich auf FantaghirÓs Königreich zureiten. Und nicht zuletzt fühlt man sich im abschließenden Kapitel der Saga doch ins legendäre Piratenparadies Tortuga versetzt – „Piraten der Karibik“ lässt grüßen. All diese Referenzen sind allerdings erst später produziert worden, als „Fantaghirò, was nun leider nicht den Umkehrschluss zulässt, dass sich die besagten aufwändigen Produktionen bei Bavas Filmen bedient hätten. Oder etwa doch?

Bevor es nun an die Einzelbesprechungen geht, wobei ich mich an die ursprüngliche, italienische Zählart halte, weil das die stimmigen Sinnzusammenhänge sind, eine erste Beurteilung der kompletten Serie. Leider kann „Prinzessin Fantaghirò“ das anfänglich recht hohe und unterhaltsame Niveau wie fast alle Serien nicht bis zum Ende halten. Vor allem Fantaghirò 4 und 5 fallen gegenüber den Vorgängern deutlich ab. Das hat allerdings wenig damit zu tun, dass hier (in den Folgen 7-10) nicht mehr in cineastischem 35 Millimeter gedreht wurde, sondern vor allem an den deutlich schwächeren Stories und den weiniger unterhaltsamen Spezialeffekten. Jetzt aber zu den Abenteuern der charmanten Prinzessin Fantaghirò selbst:

„Fantaghirò 1“ (Folgen 1 & 2)

fantaghiro-szenenfoto-5Prinzessin Fantaghirò Folge 1 und 2 (OT: 2Fantaghirò 1“) erzählt die Ausgangsage des Märchens.  Seit ewigen Zeiten herrscht Krieg zwischen zwei Königreichen. Der König (Mario Adorf) hofft inständig einen Thronfolger zu zeugen, doch stattdessen bekommt er eine dritte Tochter. Prinzessin Fantaghirò wächst zu einem rebellischen Mädchen heran, das nicht einsehen kann, warum sie keine Jungssachen machen soll und nicht im Kämpfen ausgebildet wird. Anders als ihre Schwestern scheint Fantaghirò vor nichts Angst zu haben. Die weiße Hexe erscheint Fantaghirò in Gestalt einer sprechenden Gans und begleitet die Prinzessin in die Schlacht. Doch der neue Anführer des feindlichen Königreiches ist des Kämpfens ebenfalls müde. Anders als sein Vater will Romualdo (Kim Rossi Stuart) das Blutvergießen beenden. Er schlägt ein Duell vor und sein Gegner soll ausgerechnet Fantaghirò sein.

Regisseur Lamberto Bava hat im Auftakt der Serie ein tolles Gespür für die richtige Mischung aus Spaß und Romanze. Die sprechenden Tiere (und Steine) sind ebenso charmant animiert wie die magischen Waffen, die gelegentlich zum Einsatz kommen. Selbstverständlich darf man bei einer italienischen TV-Produktion nicht den Maßstab großer Hollwood-Studios anlegen, aber auch wenn die Effekte gelegentlich etwas albern aussehen, sie  sind doch auch gelungen und unterhaltsam. Spannend ist auch die Figur der Fantaghirò selbst. So rauflustig und wiederborstig entspricht die von Alessandra Martines gespielte Königstochter so gar nicht dem weiblichen Klischee einer braven Prinzessin. Das ist zwar in den Neunziger Jahren auch in Sachen Emanzipation nichts Neues mehr, aber im Genre Märchen und Fantasy durchaus. Am Ende wird auch genretypisch alles gut und die Zuschauer haben den schönsten Teil der Prinzessinnen-Mär gesehen. Einzelwertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

„Fantaghirò 2“ (Folgen 3 & 4)

fantaghiro-szenenfoto-9-brigitte-nielsenIn Folge 3 und 4 (OT: „Fantaghirò 2“) wird es dann ein wenig magischer und auch in bisschen alberner. Die schwarze Hexe (Brigitte Nielsen), die später auch als schwarze Hexe auftaucht, hat die Nase voll von Liebesglück und Frieden. Denn Fantagirò und Romualdo sind inzwischen verheiratet und die Königin herrscht  über ein vereintes Reich. Was tun? Die schwarze Hexe säht Zwietracht, indem sie den König, Fantaghiròs Vater entführt und ein magisches Heer aufstellt. Weil seine Frau ihm versprochen hat, nie wieder ein Schwert zu führen, geht Romualdo auf die Suche nach dem Schwiegervater. Aber Fantaghirò kann nicht abwarten und zieht selbst los. erneut hat sie Unterstützung von der weißen Hexe und von einem sprechenden Stein, einem Rückkehrstein, der immer wieder an seinen Platz zurückkehren will. Die Hilfe ist auch bitter nötig, denn Romualdo ist verhext.

Drehbuchautor Gianni Romoli, der bei allen Teilen die Geschichte schrieb, lässt es diesem Mal deutlich magischer zugehen und so kommen auch mehr Spezialeffekte zum Einsatz. Die Dramaturgie überzeugt, auch wenn Brigitte Nielsen zum Overacting neigt, aber immerhin befinden wir uns in einem Märchen, das auch für jüngere geeignet ist. Und in der DDR beispielsweise hatten  Märchenverfilmungen schon immer auch namhafte Darsteller aufzuweisen und opulente Szenerien zu bieten. Auch dieser Teil von Fantaghiro kann überzeugen und weiß kurzweilig zu unterhalten. Einzelwertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

„Fantaghirò 3“ (Folgen 5 & 6)

fantaghiro-szenenfoto-8In den Folgen 5 und 6 („ Fantaghirò 3“) hat die Prinzessin Fantaghirò einiges an emotionalen zuständen auszustehen, denn ihr Liebster, Romualdo,  wird bei dem Versuch die Kinder von Fantaghiròs Schwestern vor dem bösen Zauberer Tarabas (Nicolas Rogers) zu beschützen, zu Stein. Tarabas wure geweissagt, dass ihn einst ein zehnjähriges Kind entmachten würde, daher schicken er und seine Mutter, die Hexe Xellesia (Ursula Andress) Truppen in alle Königreiche, um die Kinder gefangen zu nehmen. Fantaghirò und ihre Gefährtin Smeralda suchen ebenfalls nach dem bösen Zauberer. Dabei bekommen sie Hilfe von der schwarzen Hexe, denn deren einstige Helfer sammeln die Einzelteile der Hexe wieder ein und machen sie wieder lebendig. Es kommt wie so oft im Märchen, der böse Zauberer verknallt sich in die Prinzessin und es gelingt ihm fast, Fantaghirò auch zu heiraten, fast. Aber Fantaghirò gelingt es auch nicht ihren geliebten Romualdo zu retten.

Auch in dieser Runde der Prinzessinnen Saga geht es hoch her. Dabei ist Fantaghirò von der eigentlichen Haupthandlung, nämlich dem bösen Zauberer, der seine Macht retten will, nur insofern betroffen, dass Romualdo als Kollateralschaden zu Stein wird. Dafür aber haben sich Lamberto Bava und Gianni Romoli eine ganz schon turbulente Berg- und Talfahrt ausgedacht. Es gibt unendlich viele Wendungen, von denen einige auch definitiv zu viel sind. Wer mag, kann her schon erkennen, ebenso wie an angekündigten ableben Romualdos, dass der Zenit der Serie erreicht ist und „Prinzessin Fantaghirò“ ein Opfer ihres Erfolges wird. Einzelwertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

„Fantaghirò 4“ (Folgen 7 & 8)

fantaghiro-szenenfoto-6In den Folgen 7 und 8 („Fantaghirò 4“) hat es folgerichtig denn auch nicht mehr für ganz so aufwändige Dreharbeiten gereicht. Statt auf 35-Filmmaterial wurde direkt auf TV-Gerechtem PAL-Video gedreht und die Bildqualität fällt  in der vorliegenden Box auch deutlich ab. (Gleiches gilt für „Fantaghirò 5“). Inhaltlich wurde komplett renoviert. Kaum mehr Darsteller und Figuren aus den vorangegangenen Teilen, Romualdo taucht nicht mehr auf. Eine schwarze Wolke bedroht die Königreiche und tötet Tiere und Menschen gleichermaßen. In ihrer Folge drei Ritter namens Hungersnot, Schmerz und Krankheit. Auch Insel des jungen Prinzen Parsel wird bedroht, doch Fantaghirò, inzwischen von legendärem Ruf,  hat seinen Hilferuf bekommen. Währenddessen wird der Hexer Tarabas für die Wolke verantwortlich gemacht und soll hingerichtet werden. Fataghirò kommt rechtzeitig. Und auf dem Hexer wartet eine unschöne Überraschung, Darken (Horst Buchholz) das quasi verkörperte Böse ist sein Vater und als dann auch noch Fantaghirò stirbt. scheint alles verloren.

Ja, es geht recht biblisch zu in „Fantaghirò 4“ neben den apokalyptischen Reitern zitiert Romolis Drehbuch auch noch eine Auferstehungsszene. Wäre das alles mit dem nötigen Erst vorgetragen, der Stoff hätte für ein düsteres Action-Abenteuer gereicht, aber im naiven Stil des „Prinzessin Fantaghirò“-Universums wird daraus leider ein wendungsreiches, aber nicht sonderlich zwingendes Abenteuer für die Heldin. Dazu fehlt einfach der Zusammenhang mit den vorangegangenen Teilen. Man hat die Vermutung, die Geschichte hätte ohne Fantaghirò als Heldin deutlich besser funktioniert. So aber, muss sich das wirre Abenteuer mit den Vorgängern messen und fällt dagegen ab. Einzelwertung: 5.5 out of 10 stars (5,5 / 10)

„Fantaghirò 5“ (Folgen 9 und 10)

fantaghiro-szenenfoto-3In den finalen Teilen 9 und 10 (OT: „Fantaghirò 5“) holen Lamberto Bava und Gianni Romoli noch einmal zu einen aberwitzigen Abenteuer aus und scheitern furios. Zwar ist wieder die schwarze Hexe dabei, die Fantaghirò töten will, um ihre Zauberkräfte zurückzubekommen, doch wie durch eine Wunder (nämlich von der Wunschpflanze!) wird Prinzessin Fantaghirò gerettet und taucht in der “Anderswo-Welt“ wieder auf. Hier haben Bösewichte alle Eltern entführt und die gute Hexe Asteria (Michaela May) versucht die Welt zu retten, ebenso wie der heldenhafte Kämpfer Aries (Luca Venantini), aber erst Fantaghirò ist in der Lage das Böse zu besiegen. Allerdings kann sie nicht mehr in ihre alte Welt zurückkehren.

Man fragt sich schon, was die Macher im abschließenden Abenteuer von Fantaghirò (Folgen 9 und 10, OT: Fantaghirò 5″)geritten hat, hier werden Lotteriemanier fantastische Elemente aneinandergreiht, ohne das sich daraus eine stimmige, zusammenhängende Geschichte ergeben würde. Da kommen wunschpflanzen und Gedächtnissauger zum Einsatz, das Setting der Elternlosen Welt ist irgendwo zwischen „Peter Pan’s Nimmerland und Muppet Show angesiedelt und in all dem eine Heldin, die so ungefähr aller ihrer Identifikationseigenschaften beraubt ist. Herausgekommen ist allerdings ein Fantasy-Abenteuer, das auf anderer Ebene seine Qualitäten hat. Mit solidem Trash-Appeal und kindlicher Verspieltheit kommt „Fantaghirò 5“ ähnlich lustig und unterhaltsam rüber wie „Elmo im Grummelland“. Ich bezweifle allerdings, dass das den Machern vorschwebt. Immerhin animiert der Film mit der Figur des Mannes im Kerker, dessen Gesicht aus Früchten besteht, die Kunst des italienischen Malers Guiseppe Arcimboldo (1526-1593), dessen überraschende und berühmte Portraits aus Blumen, Obst und Gemüse hier Pate standen.

Einzelwertung: 4.5 out of 10 stars (4,5 / 10)

Soviel also in aller Ausführlichkeit zur Komplett-Edition der „Prinzessin Fantaghirò“ auf Blu-ray. Eine Fantasy-Serie, die trotz des abfallenden Niveaus in den späteren Folgen, insgesamt sehr unterhaltsam ist und ihren Charme, der nicht ganz zeitlos ist, sondern erheblich auch mit der damaligen Tricktechnik verbunden, bewahrt hat. Mögen noch einige Generationen sich an dieser opulenten Märchenwelt erfreuen.

Serien-Wertung:7 out of 10 stars (7 / 10)

bd-cover-fantaghiroPrinzessin Fantaghirò – Komplettbox
OT: Fantaghirò 1-5
Genre: Fantasy,
Länge: 921 Minuten, 10 x ca. 90 Minuten, I, 1991-1996
Regie: Lamberto Bava
Drehbücher: Gianni Romoli
Darsteller: Alessandra Martines, Mario Adorf, Ursula Andress, Brigitte Nielsen, Horst Buchholz, Nicholas Rogers, Kim Rossi Stuart
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studio 100, Universum VÖ: 07.10.2016

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