#FFHH16: Shambles

shambles__maudite_poutine_03-vorschauFilme, die auf Festivals laufen, bekommen meistens noch einen international tauglichen Titel verpasst, der vor allem am Inhalt orientiert ist. Der muss wie im Fall des kanadischen „Maudite Poutine“ nicht immer treffend sein: „Shambles“ (heilloses Durcheinander) könnte auch ein Kömodientitel sein. Aber weit gefehlt: Der erste Langfilm von Karl Lemieux ist ein düstere und vor allem eine audiovisuelle Schlittenfahrt, die eher subkutan wirkt. Also: Bring on the Noise.

Das Programmheft des Filmfest Hamburg weist Lemieux als Mitglied des Noise-Bandkollektivs Godspeed You Black Emperor aus und so ist auch der Film geworden. Wem das nun nichts sagt, der sollte sich lieber etwas anderes vornehmen. Was das alles mit dem „verdammten Putin“ -so die Übersetzung des Titels – zu tun hat, weiß ich auch nicht. Für Lemieux, der in Montreal mit Super8 und 16-Millimeter arbeitet ist „Maudite Poutine“ die konsequente Fortsetzung und Entwicklung seiner Videoinstallationen und Kurzfilme.

shambles_maudite_poutine_01Vincent spielt in einer Noise-Rock-Band und gerät in derbe Schwierigkeiten, als die Jungs eine Cannabis-Plantage abräumen, die einer Rockergang gehört. Das bleibt nicht ohne Folgen und mit Prügel ist es nicht getan. Die Jungs müssen den rockern den Ausfall bezahlen. Aber Kohle hat hier keiner und das Pot ist auch nicht gerade ein Bringer. Aber vielmehr als das, verstört Vincent, dass sein großer Bruder Michel mit den Rockern abhängt und er nur deshalb, halbwegs ungeschoren davon kommt. Aber die Sache ist noch lange nicht erledigt.

shambles__maudite_poutine02Handlungsmäßig eher überschaubar im Graubereich zwischen Amateur-Bands, bescheidenen Tagesjobs und kleinstädtischem Ambiente angesiedelt, entwickelt „Maudite Poutine“ seine Power vor allem aus der Wechselwirkung der Schwarz-Weiß-Bilder und der Musik. Harmlos könnte man die wohl als „Postrock“ betiteln, aber hier geht es um freien Gitarrenlärm, der trotz wilder Verzerrung näher am Free Jazz ist als an Rock’n’Roll. Zwischen Drones und Gitarrenwänden entwickelt sich die Zeichnung von Vincents Alltag und dem zwiespältigen Verhältnis zum älteren Bruder Michel mit Szenen, die auch mal kurz an David Lynchs „Erazerhead“ (1977) denken lassen, oder diffuse Dämmerungen heraufbeschwören und so ihren eigenen, düsteren Charme haben und streckenweise in ihrer dystopischen Ausrichtung auch wunderschön sind.

Man kann Karl Lemieux „Maudite Poutine“ als  lange Videoinstallation zwischen gespenstischem Hexensabbath und aufgewirbeltem Staub einer zugemüllten Gesellschaft sehen und hören;  vielleicht muss man das sogar.

Film-Wertung:9 out of 10 stars (9 / 10)

Shambles
Originaltitel: Maudite Poutine
Kanada 2016 | 91 min | OmeU | Farbe | FF 2016
Regie: Karl Lemieux
Drehbuch: Karl Lemieux, Marie-Douce St-Jacques
Darsteller: Jean-Simon Leduc, Martin Dubreuil, Francis La Haye, Robin Aubert, Marie Brassard, Alexa-Jeanne Dubé
Produzent: Sylvain Corbeil, Nancy Grant
Sektion: Voilà!
Originalsprache: Französisch
Filmtyp: Spielfilm
Musik: David Bryant, Thierry Amar, Kevin Doria
Kamera: Mathieu Laverdière
Set Designer: art director: Louisa Schabas
Schnitt: Marc Boucrot
Format: dcp
Weltvertrieb: Stray Dogs
Produktion: Metafilms INC
Kontakt: Laura Nacher, Stray Dogs: laura@stray-dogs.com

Vorstellungen: Fr, 07.10. – 21:30, Studio-Kino 1 und  Sa, 08.10. – 19:00, B-Movie

Shambles bei Filmfest Hamburg