Men & Chicken: Und willst du nicht mein Bruder sein…

Freunden schrägen dänischen Humors muss man „Men & Chicken“ nicht erst lange ans Herz legen. Es reicht, kurz „Adams Äpfel“ zu erwähnen, um klarzumachen, worum es geht. Filmmacher Anders Thomas Jensen gelingt es in seinen Filmen immer wieder aufs Neue, absolut schräge Szenarien aufzubauen und mit den üblichen Verdächtigen erstaunliche Geschichten zu erzählen. So auch in „Men & Chicken“ – einer hochpolitischen Satire, oder so ähnlich.

Während Elias (Mads Mikkelsen) gerade ein Date hat, das nicht so recht rund läuft, liegt sein Vater im Krankenhaus im Sterben. Elias‘ Bruder Gabriel (David Dencik) war noch rechtzeitig da, um sich zu verabschieden. Aber in den Hinterlassenschaften des alten Mannes finden die ungleichen Brüder ein Videoband, in dem ihnen eröffnet wird, dass sie adoptiert wurden. Auf der Suche nach ihrer Herkunft machen sie ihren leiblichen Vater auf der abgelegenen Insel Ork aus und lernen dort ihre drei eigenwilligen Brüder Gregor (Nikolaj Lie Kaas), Franz (Søren Malling) und Joseph (Nicolas Bro) kennen, werden aber erst einmal wieder vom Hof gejagt.

Der Bürgermeister des einzigen Ortes auf der Insel hat ganz andere Probleme: Seine Gemeinde zählt nur noch knapp über vierzig Einwohner und soll von der Landkarte gelöscht werden. Da kommt es dem ortsvorstehen gerade recht, dass vielleicht zwei neue Bürger auf die Insel ziehen. Allerdings hat Gabriel, der als Professor an der Uni arbeitet, mit seinen Brüdern, die scheinbar leicht unterbelichtet sind und sich eher durch Prügeleien als durch Diskussionen verständigen, so seine Probleme. Elias hingegen fühlt sich in dem heruntergekommenen Gutshaus gleich wie zu hause. Ihren Vater bekommen Gabriel und Elias allerdings nicht zu Gesicht, der braucht Ruhe.

Der Däne Anders Thomas Jensen ist vor allem als Drehbuchautor extrem begehrt und sorgt immer wieder für großartige Geschichten. Vor allem seine Drehbücher für die Regisseurin Susanne Bier (u.a. „Brüder“, „Nach der Hochzeit“, „In einer besseren Welt“) wurden hochgelobt und die Filme auch Oscar-nominiert. Jüngst wurde bekannt gegeben, dass Jensen das Script für die Verfilmung des Stephen King Bestsellers „Der Turm“ schreiben soll, nachdem er mit „The Salvation“ bewiesen hat, dass er auch Western kann.

Wenn Anders Thomas Jensen selbst als Regisseur hinter der Kamera steht, darf es gerne auch schräg werden. Bislang bestens belegt in den drei Spielfilmen „Blinkende Lichter“ (2000), „Dänische Delikatessen“ (2003) und „Adams Äpfel“ (2005), die zeitgleich zur Home Entertainment Veröffentlichung von „Men & Chicken“ in remasterter Form in der wunderbaren Filmbox „Von Hühnern, Äpfeln und anderen Delikatessen“  veröffentlicht wurden. Übrigens auch ein großartiger Geschenktipp für Freunde dänischer Filme.

„Men & Chicken“ reiht sich zehn Jahre nach „Adams Äpfel“ nahtlos in die Filmreihe ein und lebt vor allem von seinem großartigen Ensemble um Mads Mikkelsen, das sich für keine Peinlichkeit und keine Absurdität zu schade ist. Mit großem Mut zur Hässlichkeit und der geschwisterlich verbindenen Hasenscharte kloppen und rangeln sich die fünf Misfits von debilen Landeiern zu großartigen und liebenswerten Filmhelden. Dabei geht es wie so oft bei Anders Thomas Jensen um die großen Themen des Lebens, hier unter anderem um Familie, Herkunft und Heimat, nur dass die überbordende Absurdität des Filmsettings den Blick ebenso klärt wie sie ihn zunächst verstellt. Unter all dem Slapstick-Artigen Chaos und der Turbulenz verbirgt sich etlicher Stoff zum Nachdenken. Aber mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Irgendwie sind die Regiearbeiten von Anders Thomas Jensen auch immer Jungsfilme. Ein großer Hang zur infantilen Naivität ist ebenso deutlich wie auch das fast vollständige Fehlen von ausgeprägten Frauencharakteren. Das  hat Methode, denn die Wahl- oder Zwangsgemeinschaften seiner Charaktere sind häufig irgendwo in der Pubertät stecken geblieben und die Frau bleibt das ewige, unerreichbare Mysterium. So auch auf dem heruntergekommenen Hof auf Ork, der quasi gleichberechtigt von allerlei Viehzeug bewohnt wird.

Ganz so großartig wie „Adams Äpfel“ ist „Men & Chicken“ nicht ausgefallen. Mit seinem kompromisslosen  Wahnwitz und einer wieder einmal großartigen dänischen All-Star-Besetzung sorgt „Men & Chicken“ aber für sehr sehenswerte schwarzhumorige Unterhaltung.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Men & Chicken
OT: Mænd & høns
Genre: Komödie, Drama
Länge: 100 Minuten, DK, 2015
Regie & Drehbuch: Anders Thomas Jensen
Darsteller: Mads Mikkelsen, David Dencik, Nikolaj Lie Kaas, Søren Malling, Nicolas Bro
Extras: Interview mit Mads Mikkelsen
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: DCM
Kinostart:02.07.2015
DVD- & BD-VÖ: 03.12.2015