Frank: Du solltest berühmt sein

Zur Zeit hat Schauspieler Michael Fassbinder einen Lauf und ist in diesem Kinojahr hierzulande gleich mit vier Filmen in tragenden Rollen zu sehen: Neben „Steve Jobs“ und „Macbeth“, die aktuell in den Kinos laufen, auch in dem wunderbaren Western „Slo West“ und dem grandiosen Musikfilm „Frank“. Als musikalisches Genie einer schrägen Avantgarde-Band rennt „Frank“ allerdings dauernd mit einem Kopf aus Pappmaschee durch die Gegend. Aber das macht „Frank“ nicht allein zu einem der ungewöhnlichsten und besten Musikfilme seit Jahren. Wer auf Indie-Sounds und melancholischen Humor steht, sollte „Frank“ auf keinen Fall verpassen.

Jon Burroughs (Domhnall Gleeson) träumt von einer Karriere als Musiker, aber der junge Büroangestellte ist leider nur leidlich talentiert. Auf seinem Keyboard bastelt Jon in der heimischen Kammer bei seinen Eltern an uninspirierten Songideen. Dann hat er zufällig die Gelegenheit als Aushhilfs-Keyboarder bei der avantgardistischen Indie-Band  mitzumachen. Obwohl der Gig, den die Band nach zwei Songs zerstritten abbricht, sich für Jon eher wie ein Desaster anfühlte, nimmt ihn die Band mit nach Irland, um dort ein Album einzuspielen.

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Voller Enthusiasmus lässt sich Jon auf das Abenteuer ein, das eine Karriere als Musiker verspricht. Aber die Band um den ebenso charismatischen wie eigenwilligen Frank, der seinen Kopf aus Pappmachee nie abnimmt, macht es dem Neuling nicht leicht, Teil der Band zu werden. Während sich die Aufnahmen hinziehen und für die Beteiligten zu einer existentiellen Erfahrung werden, plappert Jon in allen sozialen Netzwerken munter von den Aufnahmesessions und bringt die Band so schließlich zu einem Auftritt beim renommierten South by Southwest Festival (sxwx)  in Austin, Texas. Das Rampenlicht stellt die Band auf eine harte Probe.

Lenny Abrahmsons Musikfilm „Frank“ erzählt aus der naiven Perspektive eines jungen Menschen von der Suche nach Kreativität und musikalischem (künstlerischem) Ausdruck und dem Wunsch nach Anerkennung in Form von Erfolg. Kein Wunder also, dass Jon in dem Bandleader Frank den klischeebesetzen Urtypus eines wahnsinnigen Genies sieht und dessen Nähe sucht, immer in der Hoffnung, etwas von Franks Ausdruckskraft möge auf ihn hinabtropfen. Frank seinerseits, wie auch der Rest der Band, macht Musik nicht als Weg zum kommerziellen Erfolg, sondern aus einer gefühlten künstlerischen Notwendigkeit heraus, die sich kaum um Konventionen oder Anerkennung schert, sondern nur den eigenen Ausdruck sucht.

Diese Konfliktlinie zieht sich durch den ganzen Film, reflektiert das Verhältnis von Kunst und Kommerz, wirft einen Blick auf das momentane Musikbusiness und auch auf die sozialen Medien sowie auf das Selbstverständnis einer Generation, die mit Casting-Shows aufgewachsen ist. Dabei  wird „Frank“ mit viel Humor erzählt, hinter dem sich aber immer eine Tiefgründigkeit verbirgt. Viel dieser Spannung zeigt sich durch Jons naiven Blick auf die exzentrischen Mitmusiker und die extreme Situation der Albumproduktion.

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Dabei ist „Frank“ großartig besetzt und lebt von einer perfekt passenden Filmmusik, für die Komponist Stephen Rennicks eine stimmige, bisweilen krude Mixtur aus Klangskulpturen und Independent-Rock gefunden hat. Aber keine Panik, allzu „unhörbar“ sind die unausprechlichen „The Soronprfbs“ selten einmal. Und mit quasi dem abschließenden Song „I love you all“ hat „Frank“ auch einen echten Ohrwurm zu bieten. die Schauspieler haben die Musik übrigens auch selbst eingespielt und tragen so zu den sehr gelungenen und überzeugend wirkenden Studio-Sessions bei.

DVD und Blu-ray haben als Bonusmaterial noch einen zehnminütigen Einblick in die Dreharbeiten und jede Menge Interviews mit Cast & Crew zu bieten. Leider ist keines mit Drehbuchautor Jon Ronson dabei, aber das finden Interessierte auch auf youtube. Dafür aber ein sehr interessantes Gespräch mit Komponist Stephen Rennicks über die Musik in „Frank“.

Für die Film-und Musiknerds folgt jetzt noch ein kleiner Exkurs zur Filmentstehung und der Inspiration zu „Frank“. Lose basiert die Figur des „Frank“ auf „Frank Sidebottom“ einem Bühnencharakter des englischen Komikers und Musikers Chris Sievey, der 2010 verstarb. Der Journalist Jon Ronson, der schon mit seinem Buch und dem Drehbuch für „Männer, die auf Ziegen starren“ ein Händchen für schräge Geschichten bewiesen hat, spielte zeitweise in Frank Sidebottoms Band und hat ein Buch über diese Zeit geschrieben. Auf dieser Basis wurde dann das  Drehbuch für den Spielfilm „Frank“ entwickelt. Außerdem ist in Großbritannien beinahe parallel zum Film auch eine biografische Doku über Chris Sievey erscheinen: „Being Frank: The Chris Sievey Story“ von Steve Sullivan. Wer das Thema über den Typen mit dem Kopf aus Pappmaschee also vertiefen möchte, findet hier alles, was das Herz begehrt.

Der tragikomische Musikfilm „Frank“ ist sicherlich nicht für jederman eine Offenbarung, aber wer mit der unkonventionellen Musik klar kommt und selbst gerne auf der Suche nach neuen Sounds  und Inspiration ist, wird mit einem herzerreißenden Musikerschicksal und einem der intelligentesten und besten Musikfilme seit langem belohnt.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Frank
Genre: Musikfilm, Drama, Komödie
Länge: 95 Minuten, UK, 2014
Regie: Lenny Abrahmson
Drehbuch: Jon Ronson, Peter Straughan,
Darsteller: Michael Fassbender, Domhnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal, Scott McNairy
Extras: Interviews, Behind the Scenes
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Weltkino
Kinostart: 27.08.2015
DVD- & BD-VÖ: 30.10.2015