The Homesman: Das harte Leben der Pioniertage

Der Western ist im Grunde ein Männerfilm, in dem Frauen nur Randerscheinungen sind. Man konnte schon 1968 in Sergio Leones „Spiel mir das Lied von Tod“ erahnen, was es für eine Frau bedeutete, wenn sie in das harte Leben der westlichen Pioniere heiratete, die den Kontinent urbar machen und sich eine neue Existenz aufbauen wollten. Tommy Lee Jones vierten Regiearbeit „The Homesman“ zeigt in seiner ganzen Dramatik, was geschehen kann, wenn der Traum von Freiheit und Neubeginn tragisch scheitert. Für „The Homesman“ gab es bei den Filmfestspielen in Cannes viel Lob und der Neo-Western war berechtigter Weise für die goldene Palme als Bester Film nominiert.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Westen Nordamerikas noch kaum besiedelt. Als alleinlebende Frau bewirtschaftet Mary Bee Cuddy (Hillary Swank) in einer kleinen Methodistengemeinde in der Ödnis von Nebraska einen Hof. Weil sie als herrisch gilt, findet die selbstbewusste und gläubige Frau keinen Ehemann. Während eines strengen und entbehrungsreichen Winters trifft es die Siedler hart und viele Familien der kleinen Gemeinde verlieren ihre Ernten, das Vieh und ihre kleinen Kinder. Vor allem drei Familien leiden derart, dass darüber die Ehefrauen Arabela Sours (Grace Gummer), Theoline Belknapp (Miranda Otto) und Gro Svendson (Soja Richter) den Verstand verlieren. Ihre Männer sind mit der Situation heillos überfordert. Der Pfarrer der Gemeinde, Reverend Dowd (John Lithgow) beschließt, die Frauen zurück zur Hauptgemeinde nach Iowa bringen zu lassen; dort in der Zivilisation kann man ihnen besser helfen.

Aus purer Notwendigkeit und aus Mitleid übernimmt Mary Bee die Aufgabe, die Frauen auf dieser beschwerlichen und gefährlichen Reise zu begleiten. Der „Homesman“, der die Frauen nach Hause bringt, ist also eigentlich eine Frau. Eher zufällig bekommt sie noch Begleitung von dem desertierten Soldaten und alten Gauner George Briggs (Tommy Lee Jones). Den schneidet die resolute Frau vom Galgen, wo er aufgeknüpft wurde, weil er sich das Land eines Mannes unter den Nagel gerissen hat, der gerade im Osten eine Frau sucht. Mary Bee macht einen Deal mit dem alten Halunken: Sein Leben, wenn er sie und die Frauen begleitet. Der Mann hat kaum eine Wahl.

Fast zehn Jahre nachdem Tommy Lee Jones in „Three Burials“ drei Leichen durch die Wildnis transportierte, macht er sich filmisch nun erneut als Regisseur auf die Reise: In dem Neo-Western „The Homesman“ geht es ebenfalls um einen außergewöhnlichen Transport. Neben Tommy Lee Jones besetzt Hillary Swank die zweite Hauptrolle in der beachtlichen Verfilmung des gleichnamigen Romans von Glendon Swarthout.

Die Romanvorlage zu „The Homesman“ hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel und wurde seinerzeit 1988 als herausragender Westernroman gelobt. Zum deutschen Filmstart wurde das Buch auch auf Deutsch aufgelegt (Heyne Verlag). Bereits mehrere von Swarthouts Werken wurden erfolgreich verfilmt, unter anderem „Die siebte Kavallerie“ (1956) und „Der Scharfschütze“ (1976), beide mit John Wayne. Der Autor verstarb 1992. „The Homesman“ ist alles andere als ein typischer Western: Im Mittelpunkt der Handlung, stehen eindeutig die Frauenschicksale jener entbehrungsreichen Pioniertage. Die Story ist eher um Hillary Swanks Charakter herum aufgebaut, als auf Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller Tommy Lee Jones zugeschnitten. Aber alle Rollen, auch die kleinen von Merryl Streep und John Lithgow, sind stimmig und sehenswert besetzt. Und man unterschätze die Präsenz der drei verrücktgewordenen Frauen auf dieser Reise nicht.

Die Ausstattung und die Landschaft in „The Homesman“ sind karg, unwirtlich und abweisend und das wird absolut authentisch umgesetzt: Kulisse und Kostüme sind ebenso stimmig wie die Filmmusik von Mark Beltrami und die Stimmung des Westerns. Die Herausforderungen des kargen Pionierlebens werden nur allzu deutlich durch die ebenso öde wie majestätische Landschaft vermittelt. Die Kameraarbeit von Rodrigo Prieto („Argo“, „The Wolf of Wall Street“) fängt die abweisende, kalte Landschaft mit ihren wenigen optischen Fixpunkten ebenso melancholisch nüchtern ein, wie die pragmatischen Charaktere dieses ungewöhnlichen Krankentransportes.

Das umfangreiche Bonusmaterial zu „The Homesman“ umfasst etwa 70 Minuten. Den größten Anteil hat das Making of, das sich dem Produktionsprozess widmet und vor allem Filminteressierte sehenswert ist. Das Featurette „Ein typischerWestern“ untersucht hingegen wie sich „The Homesman“ im Genre einfügt, ob es so etwas wie eine Definition eines Westerns überhaupt noch gibt und was Tommy Lee Jones Film anders macht. Ein weiterer und vielleicht der interessanteste Hintergrundbericht befasst sich mit den historischen Voraussetzungen des Film und dem Leben der Frauen in dieser Zeit.

Tommy Lee Jones hat mit seinen Ko-Autoren für „The Homesman“ ein stimmungsvolles, nüchternes Drehbuch verfasst, das ohne ein Happy End auskommt und dem Leben im Wilden Westen einen Aspekt hinzufügt, der bislang zumindest auf der Leinwand kaum  bekannt war: Das Pionierleben aus der Frauenperspektive. Das großartige Drama erlaubt den Zuschauern den Blick in eine längst vergangene Lebenseise aber auch eine Reflektion über die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

The Homesman
OT: The Homesman
Genre: Drama, Western
Länge: 123 Minuten, USA 2014
Regie: Tommy Lee Jones
Drehbuch: T. L. Jones et al., nach dem Roman von Glendon Swarthout
Darsteller: Hillary Swank, Tommy Lee Jones, Merryl Streep,
FSK: ab 16 Jahre
Vertrieb: Universum
Kinostart: 18.12.2014
DVD- & BD-Start: 17.04.2015