Absolut Zero Cool: Mitteilungen aus dem Krankenhaus

pbEs kann nichts Gutes bedeuten, wenn ein Krimiautor von seiner Figur heimgesucht wird. So geschehen in Declan Burkes drittem Kriminalroman „Absolute Zero Cool“, der eigentlich keiner ist, sondern ein sehr unterhaltsames und kluges literarisches Experiment, das mit dem Kriminalgenre und dem literarischen Schaffen an sich spielt. Endlich wird der hochgelobte irische Kriminalist auch hierzulande verlegt.

Der namenlose Autor  (und Ich-Erzähler) in „Absolute Zero Cool“ hat eigentlich gerade eine ganz gute Lebensphase: Sein Roman wurde kürzlich veröffentlich und privat ist er gerade Vater einer Tochter geworden. Doch dann taucht überraschend ein Einäugiger im Garten auf und stellt sich als Billy vor. Billy hat ein Problem, er ist der Protagonist eines Krimis des Autors, der seit Jahren unfertig in der Schublade modert. Nun entwickeln sich auch Figuren weiter und Billy will den Autor überreden, das Manuskript zu beenden, allerdings mit einigen wesentlichen Änderungen. Jener Roman handelt von dem Krankenpfleger Karlsson, der heimlich Sterbehilfe betreibt und das mit faschistoidem Gedankengut rechtfertigt. Darauf hat Billy allerdings keine Lust mehr und will nun das gesamte Krankenhaus in die Luft jagen – im Roman, versteht sich. Der Autor lässt sich auf das Spielchen mit dem ominösen Typen ein und so arbeiten beide über den Zeitraum eines Jahres auf ihre Weise an der Überarbeitung.

„Es gibt kein großes Genie ohne einen Schuss Verrücktheit“ (Aristoteles)

„Absolute Zero Cool“ erzählt auf verschiedenen Ebenen: Zum einen die Autorenperspektive, dann aus der Ich-Perspektive des Protagonisten und zum dritten schreibt Karlsson alias Billy im Roman auch noch selbst einen. Declan Burke ist ein kluger Erzähler und so gelingt es dem Leser, trotz dieser Ebenen immer den Überblick zu behalten, bis die Handlungsebenen sich dann zu vermengen beginnen und die Frage immer drängender wird: Wer schreibt hier eigentlich was, oder wen?

Gleich mit den beiden Anfangszitaten, die sich mit dem degenerierenden Zustand der Gesellschaft und der damit verbundenen Mode, dass jeder sich zum Autor berufen fühlt, beschäftigen, schafft Burke eine gewisse ironische Distanz und zugleich ein Leitmotiv für seinen Roman. Auch im Verlauf greift Karlsson gerne mal auf literarische Zitate zurück, die er als persönliche Tagesmotti in die Handlung einflicht. Das Spiel mit zum Leben erweckten fiktiven Charakteren hat Tradition; besonders in Irland, wo der große Flan O’Brian das in „At-Swim-Two-Birds“ auf ebenso humorige wie anspruchsvolle Weise durchexerziert.

„Vielleicht sollten wir das Aristoteles-Zitat streichen“, sagte er. „Ich frage mich, ob die Leute auf so was wie Wahnsinn positiv reagieren, es sei denn, Russel Crowe spielt die Hauptrolle.“

Eine kriminalistische Ermittlungslogik, die häufig tragender Bestandteil eines Thrillers ist,  wird der Leser in „Absolute Zero Cool“ vergeblich suchen. Insofern ist der Roman nicht unbedingt ein Krimi, gleichwohl geht es um Mord und Psychologie. Gleichzeitig aber auch um den kreativen Prozess des Schreibens und die Mechanismen des literarischen Geschäftes. Das alles hat Declan Burke über weite Strecken unterhaltsam zusammengefügt.

Wer der allgemeinen Kriminalkost kurzzeitig entfliehen möchte und nicht notwendiger Weise auf Kommissare bei der Arbeit angewiesen ist, um sich unterhalten zu fühlen, der findet in Declan Burkes „Absolute Zero cool“ eine frische und bereichernde Lektüre.

Roman-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

pbAbsolute Zero Cool
OT: Absolute Zero Cool, 2011
Autor: Declan Burke
Genre: Thriller, Komödie
Übersetzung: Robert Brack
Verlag: Edition Nautilus, Taschenbuch, 318 Seiten

VÖ: September 2014

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