Flussportrait #2: Der Ganges

Ganges-1-vorFür einige Menschen sind die Berge der große Sehnsuchtsort, für andere, wie mich, ist es das Meer. Ein wenig davon erahnt man, wenn man auf einen Fluss starrt, der wie man heutzutage weiß, zielsicher irgendwann im Ozean landen wird. Doch schon lange bevor Menschen von Kreislauf des Wassers wussten, waren Flüsse Lebensadern der Zivilisation und wurden nicht selten auch als spirituelle Kraft verehrt. Für keinen anderen Fluss gilt das so wie für den Ganges, den heiligen Fluss der Hindus, der den gesamten indischen Subkontinent durchfließt. die zweite Folge meiner kleinen Reihe von Flussportraits.

Die dreiteilige BBC-Dokumentation „Ganges“ steht  ganz unter dem Konzept, diesem Strom, einem der größten der Erde, von seiner Quelle bis zu seiner Mündung zu folgen. Vor einigen Jahren hatte die BBC dem Nil ein ähnlich konzipiertes Porträt gewidmet.

Ganges-2In der ersten von drei Folgen wird dem Zuschauer die Quellregion im Hochgebirge des Himalaya näher gebracht. Der zweite Doku-Teil widmet sich dem Mittellauf des Ganges mit seinen breiten Ebenen und dem fruchtbaren Uferbereichen, an denen sich auch die menschliche Kultur vielschichtiger zeigt. Im dritten Part der Dokumentation wird das Leben im Delta des Flusses betrachtet. Die Wasserwildnis zeigt einerseits einen vielfach ungezähmten Lebensraum mit vielen Nischen für Wildtiere, andererseits die Schwierigkeiten und die Beharrlichkeit des Menschen, sich hier in den natürlichen Lebenslauf einzupassen.

Die Filmemacher betrachten dabei gleichberechtigt nebeneinander die  Naturbesonderheiten und das menschliche Leben in diesen ungastlichen Regionen, das im Wesentlichen während der Sommermonate stattfindet und eine enge Beziehung zum Hinduismus hat. Viele der hochgelegenen Orte sind Pilgerstätten, in denen der Ganges als weibliche Gottheit verehrt wird. Während gerade zu Beginn der breite geografische Ansatz der Doku nicht immer so ganz ineinandergreift und die Naturbeobachtungen etwas willkürlich neben dem religiösen Leben des Menschen stehen, verquickt sich dies im Lauf der Dokumentation immer besser. Mit dem Verlauf des Flusses wird auch die Absicht des Regisseurs Tom Hugh-Jones klarer und stimmiger.

Ganges-4Nach dem Erfolg der Doku-Reihe „Unsere Erde“ überzeugt die BBC-Produktion „Ganges“ gleichfalls mit stimmungsvollen Aufnahmen und beeindruckenden Szenen. Dabei fällt es den tierischen Protagonisten deutlich einfacher zu begeistern: Immer wenn das menschliche Treiben betrachtet wird, stellt sich eine größere Erzähldistanz ein, die zwar das große Ganze und die Verzahnungen in Betracht zieht, aber auch weiter entfernt ist vom dokumentierten „Gegenstand“. Man respektiert damit zwar die portraitierten Menschen durch die unaufdringliche Kameraarbeit, doch um den Preis  eines intensiveren Miterlebens.

Auch der rund 45 minütige Blick hinter die Kulissen ist für Freunde von Dokumentarfilmen interessant, so werden die Schwierigkeiten des Drehs erst richtig beachtet, egal ob im Hochgebirge mit widrigem Wetter oder bei der Nachtaufnahme eines wilden Bären. Die Bildqualität ist – wie man das heutzutage von hochwertigen Naturdokus gewohnt ist – ziemlich gut.

„Ganges“ bietet Flussfreunden und Indienfans gleichermaßen einen nicht alltäglichen Blick in die Lebewelten entlang des großen Stroms auf dem indischen Subkontinent. Dabei ist das Resultat nicht nur für diese beiden Zielgruppen interessant; gerade die Mischung aus Natur und Kultur macht die Doku so gelungen.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Ganges-dvd-coverGanges – Indiens Fluss des Lebens
OT: Ganges
Genre: Dokumentarfilm, Natur
Länge: 135 Minuten, UK, 2007
Regie: Tom Hugh-Jones
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Polyband /BBC
DVD- & BD-VÖ: 27.03.2009

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