Aufschrei einer Generation – Howl

howl_artwork-vorEine Film über ein Gedicht zu machen ist schon gewagt, vor allem, wenn es sich um Allen Ginsbergs urgewaltiges Epos „Howl“ handelt. Denn so richtig zugänglich ist das ellenlange Meisterwerk nicht gerade. Für die Ideengeschichte der USA und die moderne Lyrik ist der Stellenwert von „Howl“ allerdings immens. Die Zeilen „I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked, dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix, Angel-headed hipsters burning for the ancient heavenly connection, to the starry dynamo in the machinery of night…” haben sich in das Bewusstsein  amerikanischer Subkultur eingebrannt.

Der Film nähert sich dem Gedicht auf drei Ebenen: Er inszeniert Passagen des Werks als Animationsfilm, gibt (gespielte) Interviews mit Ginsberg (James Franco) wieder und zeigt den Prozess um die Obszönität von „Howl“. Der Prozess um die Obszönität des Gedichtes gibt dabei den Leitfaden vor. 1957 wurde Allen Ginsbergs epischen Werk „Howl“ (Deutsch: „Das Geheul“) wegen Obszönität angeklagt.

howl_stills_pressefoto_2Während filmisch der Prozess stattfindet, gibt der Dichter Allen Ginsberg (James Franco) ein Interview, in dem er seinen Werdegang ebenso darlegt wie die Entstehungsgeschichte des Gedichtes, das sich in der Folge als das Manifest einer ganzen Generation – auf der Suche nach ihrem Sinn und ihrem Platz in der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft – herausstellt. Immer wieder kehrt der Film zu der ersten öffentlichen Lesung des Gedichtes zurück und geht nahtlos von der (auch auf Deutsch) sehr gelungenen Rezitation in kunstvolle Animationspassagen über.

Daran, dass „Howl“ so überzeugend ausgefallen ist, hat auch Hauptdarsteller James Franco einen großen Anteil. Sein Ginsberg ist schlicht grandios und der beständige Wechsel vom abgeklärt wirkenden Interviewpartner zu einem leidenschaftlichen, aufstrebenden und zweifelnden Intellektuellen, Liebenden und Dichter zeugt von großer Leidenschaftlichkeit.

Auf der Berlinale 2011 war „Howl“ für den „Goldenen Bären“ nominiert. Neben James Franco („Spider-Man“, „Ananas Express“) in der Hauptrolle sind auch Mary-Louise Parker („Weeds“), Jeff Daniels („Blood Work“) und David Strathairn („Good Night, and Good Luck“) in dem Film der Drehbuchautoren und Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman zu sehen. Der 1997 verstorbene Allen Ginsberg tritt in Archivaufnahmen ebenfalls auf.

Die Regisseure Epstein („Times of Harvey Milk“, 1984) und Friedman („Paragraph 175“, 2000) haben einen breiten Zugang zu Ginsbergs Gedicht gelegt. Selbstverständlich geht es den beiden auch um die Homosexualität des Dichters, aber es gelingt durch die unterschiedlichen Ebenen sowohl eine Darstellung des prüden Zeitgeistes als auch eine durchaus interpretierende Annäherung an den epischen Inhalt des Gedichts. Die Erzählebenen sind kunstvoll und kurzweilig verwoben und ergeben eine stimmige Einheit.

Das Bonusmaterial der DVD ist umfangreich und so informativ ausgefallen, wie man sich das aufgrund der Vielschichtigkeit des Films selbst wünschen würde. Dabei geht es weniger um Literaturgeschichte als um die Herangehensweise der Filmemacher. „Howl“ ist ein feines Beispiel, wie abwechslungsreich man Poesie auf die Leinwand bringen kann. Doch bei allem Enthusiasmus ist der Film sicher kein Thema für ein breites Publikum.

Fazit: „Howl“ ist hervorragend umgesetzt und schafft es tatsächlich dem Gedicht viele Ebenen abzugewinnen. „Howl – Das Geheul“ erleichtert den Zugang zum Gedicht. Kann es für den Film „Howl“ ein schöneres Lob geben? Literaturinteressiert sollte man allerdings sein, denn „Howl“ ist alles andere als Mainstreamkino.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

howl_artwork_plakat_a4Howl
Genre: Drama
Länge: 90 Minuten, USA 2010
Regie: Rob Epstein, Jeffrey Friedman
Darsteller: James Franco, David Strathairn, Todd Rontondi
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Pandora
Kinostart: 06.01.2011
DVD- & BD-VÖ: 08.07.2011

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