Supergod von Warren Ellis

Nein, nicht schon wieder eine Superheldendekonstruktion im Bilderheft. Autor Warren Ellis, umtriebiger, ausgezeichneter Vielschreiber legt mit der abgeschlossenen Miniserie „Supergod“ vielmehr eine zynische Apokalypse vor, die  an der Menschheit kaum ein gutes Haar lässt; zumindest was deren Erlösungsfantasien anbelangt. Die Schaffung des Übermenschen als ultimative Waffe! Und was haben wir jetzt davon?

Ein scheinbar durchgeknallter Wissenschaftler sitzt in einem London, dass von einer Feuersbrunst zerfressen wird. Was soll man in so einer Situation in unseren geschwätzigen Zeiten auch anderes tun, als telefonieren? Doktor Reddin ruft seinen amerikanischen Kollegen an, um in einem gemütlichen Pläuschchen noch einmal in Nostalgie zu schwelgen: Wie konnte es noch mal soweit kommen? Ach ja, die Supermenschen-Forschung! Genüsslich und mit bissigem Zynismus fasst Reddin die internationale wissenschaftliche Forschung bei der Erschaffung einer gottähnlichen Existenz. Da haben viele Staaten ihr eigenes Süppchen, beziehungsweise ihr eigenes Wesen, gekocht.

Die Kreation der Inder, nach der Gottheit Krishna benannt, macht sich zuerst an die Aufgabe, Indien zu retten und bekämpft Überbevölkerung und Umweltverschmutzung. Leider auf gänzlich andere Art als sich die Wissenschaftler das so gedacht haben. Krishna zerstört, um zu erhalten, und gibt damit den Impuls für eine globale Krise bei der die „Supergötter“ aufeinanderprallen. Die Auswirkungen sind nicht vorhersehbar und die Apokalypse grüßt aus der Ferne – schnell näherkommend.

Spuermenschen-forschung und indische Götter

Warren Ellis Story hat neben dem schneidenden Zynismus und aller Zivilisationskritik auch eine solide Portion Action zu bieten. Das alles wird durch die nachträgliche Erzählung des Wissenschaftlers Reddin allerdings nicht auf Spannung inszeniert, sondern so, dass die gesellschaftlichen Implikationen und die metaphysische Ebene zur Geltung kommt. Das stimmt nachdenklich und hat mit Superhelden-Stories weniger zu tun als mit harscher Gesellschaftskritik, die sich im Comiclook präsentiert.

Garrie Gastonny trägt als Zeichner seinen eindrucksvollen Teil dazu bei, dass die Szenarien und die Übermenschen auch richtig farbenprächtig und stimmungsvoll zur Geltung kommen. Die absurden Laborbauten wirken ebenso futuristisch und gleichzeitig  wie die menschgemachten Götterwesen, die von Ellis erdacht wurden. Die sind ebenso archaisch wie visionär. „Supergod“ ist Gastonnys erste populäre Arbeit und sein Stil vereint Sinn für Details und markige Charaktere. Die Dynamik der Actionsequenzen ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber keineswegs statisch. Auch Inker Rhoald Marcellius macht einen feinen Job und es gelingt ihm, die unterschiedlichen Schauplätze mit nuancierter Farbgebung herauszuarbeiten und so die Erzählstruktur der Story zu unterstützen.

„Supergod“ aus der Feder von Warren Ellis, der ja selbst eine Comic-Legende ist, ist sehr gesellschaftskritisch ausgefallen. Die Erzählperspektive ist gewöhnungsbedürftig und überzeugt nicht durchgehend. Im Stil eines Superhelden-Comics hinterfragt die Geschichte vom ultimativen Kampf der Überwesen unsere Technikgläubigkeit und das absurde Verlangen nach Schutz durch bessere Waffen. Getreu dem Zauberlehrlingsmotto: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“

Comic-Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

Ellis /Gastonny: Supergod
OT: Supergod 1-5, Avatar, 2011
Autor: Warren Ellis
Zeicher: Garrie Gastonny
Übersetzung: Bernd Kronsbein
ISBN: 978-3-86201-298-5
Verlag: Panini, Softcover, 140 Seiten.
VÖ: 15.05.2012

Weiterführende Links
Supergod bei Panini
Online-Leseprobe bei Mycomics.de
Warren Ellis Homepage
Warren Ellis bei Wikipedia