Rory Gallager: Born on the Wrong Side of Time

Gallagher-TattooNeulich stand ich uninspiriert im Plattenladen rum, wühlte mich durch die Second Hand Neuheiten auf der Suche nach neuem, wegweisendem Ohrenfutter, als der Verkäufer keine Lust mehr hatte, sich durch seine CD-Ankäufe zu zappen. Einen Augenblick später klingt ein markantes Gitarrenriff durch den Laden und mich durchschauert freudiges Wiedererkennen. Rory Gallager hatte ich schon lange nicht mehr auf dem Plattenteller und augenblicklich war klar, dass ich momentan keine neue Musik brauche. Die nächste halbes Stunde war CDs Gucken eigentlich nur Alibi, um Rory noch ein bisschen zuzuhören. Heute vor 17 Jahren, am 14. Juni 1995, starb der irische Gitarrist. Gelegenheit für ein kleines Salut auf den Bluesman. Slainte!

Gallagher_trio_with_Rod_D'Ath-1Ist schon seltsam, wie die Erinnerung so funktioniert: Manchmal denkt man Ewigkeiten nicht mehr an bestimmte Dinge, hat den Kopf voll mit Alltagserledigungen, und es sind kleine Hinweise, die einem das Gefühl vermitteln: Da war doch noch was. Da war doch noch mehr. So wie dieser irische Gitarrist, der Ende der 1960er mit einer Band namens Taste scheinbar aus dem Nichts auf der musikalischen Bildfläche erschien und den Blues gerockt hat. Zu der Zeit nichts Ungewöhnliches, bis auf die Tatsache, dass Rory Gallager sozusagen der erste irische Rockstar wurde und die Band sich schnell einen legendären Liveruf erspielte. Hauptverantwortlich dafür waren die Saitenkünste des jungen Mannes, der später für sein immer gleiches Bühnenoutfit mit Karohemd und der durchgeranzten Fender Stratocaster, die damals freilich noch nicht so abgenutzt aussah, bekannt wurde.

Rory_Gallagher_in_DublinZu dieser Zeit konnte ich, da gerade erst auf die Welt gekommen, mit der Musik nicht wirklich viel anfangen. Als 17-jähriger Heavy Metal Fan darf man im dörflichen Norden Schleswig-Holsteins nicht wählerisch sein und nimmt an Live-Musik mit, was sich anbietet. So das erste Jübek Open Air Festival 1985. Die Musik war mir herzlich nebensächlich, es ging um das Event, wie man heute sagen würde, oder um drei Tage Dauerparty im Nachbardorf. Schon am Eingang stapelten sich erstaunlich viele ältere Langhaarige, die scheinbar alle nur gekommen waren, um Rory Gallagher zu sehen, der am ersten Abend, mitten in der Nacht den Headliner machen sollte, danach waren die langhaarigen Horden auch wieder verschwunden. Schließlich hatte der Gitarrist aus Irland lange keine ausgedehnte Deutschland-Tour mehr unternommen und war nur bei wenigen Festival-Gigs zu bestaunen gewesen.

Und Staunen war auch angesagt, zumindest für das junge Landei, das ich war (und tief drinnen immer noch bin): Da stürmt ohne jegliche Allüren oder aufwendige Show ein Mann mit ‚ner Gitarre auf die Bühne, winkt kurz und rockt mit absoluter Selbstverständlichkeit los, als gäbe es kein Morgen. Für rockige Gitarrensounds und feine Soli konnte ich mich schon damals begeistern und ehrliche Musik erkennt der Fan augenblicklich. Ohne Unterlass treiben der Maestro und seine Begleiter die Rocksau durch das Festivaldorf und sorgen für erstaunliche Stimmung, wenn man bedenkt, dass längst Kinderbettzeit ist. Als dann noch seitlich der Bühne einer der Speaker Feuer fängt, ohne dass es jemanden vor oder auf der Bühne interessiert, ist das Konzerterlebnis nachhaltig im Stammhirn festgebrannt.

taste_-taste_on_the_boardsDanach hatte sich mein musikalischer Kosmos unmerklich erweitert und in den nächsten Monaten und Jahren habe ich diverse Gallagher-Scheiben in meine Plattensammlung aufnehmen dürfen. Eine meiner liebsten ist das „Best of Taste“ Doppelalbum, das ein ominöses Label namens Rockmachine mal auf den Markt brachte; habe ich Second Hand für einen Appel und ein Ei erworben. An dem leuchten grünen Vinyl, das eigentlich besser zu irgendwelchen Punk-Scheiben passen würde, freue ich mich jedes Mal, wenn Rorys Strat „Blister To The Moon“ anstimmt. Und neulich habe ich dann doch noch mal zugeschlagen und mir einen Fünferpack mit remasterten Alben für extrem kleines Geld zugelegt, auch wenn ich die Vinyl-Ausgaben im Schrank stehen habe. Die „Original Album Classics“ von Rory Gallager sind ein perfekter Einstieg, falls jemand mal Inspiration braucht.

Rory_Gallagher2aRory Gallagher, der irische Bluesman, der es nie zu internationalem Star gebracht hat, war bekannt für aufopfernde Live-Performances und unermüdliches Touren. Unter Kollegen genoss er den Ruf eines versierten, ernsthaften Musikers, der voll und ganz in seinem Bluesrock aufging und über erstaunliche technische Beschlagenheit verfügt, die allerdings immer im Dienst des Blues stand. Seine Fans lieben ihn nach wie vor aufgrund seiner ehrlichen Bodenständigkeit und der Zeitlosigkeit seiner Musik. Es gibt Phasen in meinem Leben, die sind nicht denkbar, ohne dass Rory den Soundtrack beisteuert. Beinahe so, als wäre es eine Art geistiger Entschlackungskur, ein Akt der spirituellen Reinigung, von all dem Progmetal, Fusionjazz, synthetischen Radiopop und symphonischem Hip-Hop, wenn zwischen durch mal einer einfach die Strat rausholt und den Blues rockt.

Bluesmen sagt man nach, sie würden erst im Alter richtig gut werden. Rory hat das eindrucksvoll widerlegt. Rory Gallagher wurde gerade mal 57 Jahre. Am 14. Juni 1995 starb der sympathische irische Gitarrist an einer Infektion in Folge einer Lebertransplantation. Seine Musik bleibt immer Teil meines Lebens. Oder wie Taste so schön aufspielten: „I’m Moving On“.

Weiterführende Links:
Offizielle Rory Gallagher Homepage
Deutscher Wikpedia-Artikel
Englischer Wikipedia-Artikel
Deutsche Fanpage
großartige Fanpage von John Ganhamie mit Timeline

Taste bei Wikipedia