Geliebtes Leben: Worüber niemand spricht

01_life_above_allDie Geschichte der zwölfjährigen Chanda erzählt nicht nur vom frühen Erwachsenwerden sondern auch vom Tabu-Thema Aids, unter dem Südafrika wie kein zweites Land in der Welt leidet. „Geliebtes Leben“ ist ein großartiger und bewegender Film. Das Leben in südafrikanischen Townships ist nicht immer einfach. Doch die zwölfjährige Chanda (Khomotso Manyaka) ist klug und geht gerne zur Schule. Als ihre einjährige Schwester unerwartet stirbt, bricht die Familie auseinander.

Der Stiefvater Jonah beschuldigt Chandas Mutter (Lerato Mvelase), für den Tod des kleinen Kindes verantwortlich zu sein und flüchtet sich in den Alkohol. Chandas Mutter ist krank und verbringt die meiste Zeit des Tages im Bett. So bleibt es an dem Mädchen hängen, sich um die Organisation der Beerdigung zu kümmern und für die kleinen Geschwister zu sorgen.

08_geliebteslebenDie alleinstehende Nachbarin Miss Taffa (Harriet Lenabe) bietet ihre Hilfe an. Die resolute Frau ist aber immer um ihren guten Ruf besorgt und als sich der Zustand von Chandas Mutter trotz Heilerin und Gebeten nicht bessert, schlägt die Nachbarin vor, die Kranke in das Heimatdorf ihrer Familie zu bringen. Und so sitzen Chanda und ihre jungen Geschwister ohne Eltern da. Zu allem Überfluss verschwindet auch noch Chandas beste Freundin Esther (Keaobaka Makanyane) und taucht Tage später misshandelt und HIV-infiziert wieder auf. Gegen den Willen der resoluten Nachbarin nimmt Chanda die Freundin bei sich auf. Und dann beschließt sie, die Dinge in die Hand zu nehmen.

Die mysteriöse Krankheit

05_geliebteslebenLange bleibt unausgesprochen, worum es in „Geliebtes Leben“ überhaupt geht. Aids ist die mysteriöse Krankheit, die ihr Unwesen treibt und nach wie vor ein Tabuthema ist. Erst nach und nach stellt sich heraus, dass Chandas Stiefvater HIV-infiziert ist und die Familie angesteckt hat. Doch wie alle anderen weigert sich Jonah, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und die Dorfgemeinschaft des Townships reagiert nicht gerade christlich auf die Erkrankten, sondern versucht diese stellvertretend aus dem Dorf zu treiben. Kein Wunder also, dass auch Miss Taffa den Aidstod ihres Sohnes als Unfall ausgibt und solchen Wert auf die Wahrung des schönen Scheins legt.

13_geliebteslebenDem Film von Regisseur Oliver Schmitz gelingt genau das, was auch Alan Stratton, der Autor der international mit Preisen überhäuften Romanvorlage „Worüber keiner spricht“ (OT: „Life, above all“) im Sinn hat: „Der Pandemie Aids ein Gesicht zu geben“. Im südlichen Teil Afrikas lag die Zahl der Infizierten 2005 zwischen 10% und 30%. Im Jahr 2009 starben in Südafrika täglich 1000 Menschen an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Das Problem bei der Eindämmung ist nicht nur die katastrophale ärztliche Versorgung; Hilfe und Aufklärung sind lebensnotwendig. Doch vielerorts ist die in „Geliebtes Leben“ geschilderte Situation wohl durchaus realistisch.

02_life_above_allObwohl der Film als Jugendfilm konzipiert ist und insofern dramaturgisch etwas absehbarer ausfällt, erstaunen der Realismus und die ungeschönte Darstellung, doch genau die machen „Geliebtes Leben“ so intensiv. Das sollte sich auch der erwachsene Zuschauer ansehen. „Geliebtes Leben“ ist stimmig, authentisch und verfällt trotz Lokalkolorit nicht in die Exotikfalle. Dass „Geliebtes Leben“ aber nicht nur ein wichtiger Film, sondern vor allem eine berührende Geschichte ist, liegt an mehreren Faktoren: Der in Südfafrika geborene Oliver Schmitz („Doctor’s Diary“, „Türkisch für Anfänger“) hat ein Händchen für den Drehort und die Besetzung. Man drehte in Elandsdoorn, rund 200 Kilometer nördlich von Johannesburg, viele der Darsteller wurden vor Ort gecastet. Die Hauptdarstellerin Khomotso Manyaka ist in ihrer ersten Filmrolle umwerfend und trägt den Film allein, obwohl ihr renommierte südafrikanische Schauspieler zur Seite stehen.

Als Film für ein jugendliches Publikum ist „Geliebtes Leben“ absolut herausragend und ich habe in dem Bereich lange nichts ähnlich Ergreifendes und Intensives gesehen. Chandas Geschichte ist aber auch für ein älteres Publikum zu empfehlen und beileibe kein Kinderkram.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

GeliebtesLeben_CoverGeliebtes Leben
OT: Live, Above All
Genre: Drama, Jugendfilm,
Länge: 105 Minuten,D & SA
Regie: Oliver Schmitz
Darsteller: Khomotso Manyaka, Lerato Mvelase, Harriet Lenabe
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Senator Film, Universum Home Entertainment
Kinostart: 12.05.2011
DVD VÖ: 11.11.2011

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