Franks Flimmer-Fest 2010: Sonntag – Hält die Frisur?

Filmfest Hamburg Logo 2010Ich wache vom Regen auf und stelle mich darauf ein, durchgeweicht in den Kinos zu sitzen. Doch im Lauf des Vormittags klart es auf und der Tag der deutschen Einheit entpuppt sich als schöner Herbsttag. Im Kino geht es eher düster zu. Mit „Pulsar“ und „Buried“ sehe ich zwei überzeugende abgründige Filme . Der Kieler „Tatort: Borowski und der vierte Mann“ hat zwar Humor, der ist aber gewohnt schwarz ausgefallen. Ob das heutige Filmgeschehen die Top 5 beeinflusst? Wir werden sehen.

Nach den samstäglichen Publikumsvorstellungen, jeweils mit geladenen Filmschaffenden, bemerke ich, dass es für die Filmbesprechung auch Nachteile birgt, sich die öffentliche Vorstellung anzuschauen: Man bekommt zwar die direkte Publikumsreaktion, immer aber auch die wohlwollende Lobhudelei der Moderation. Ich hoffe, dass dies meine Betrachtungen nicht beeinträchtigt.

Weil ich es zu ruhig angehen lasse, werde ich mit dem Blog nicht rechtzeitig fertig, um „Vavien“ zu sehen. Ich schwafel wohl zuviel. Damit mir das heute nicht wieder so ergeht, gleich rein ins Geschehen.

Mit Wandfarbe gegen die Strahlung

„Pulsar“ ist eine belgische Produktion und der Spielfilmerstling von Regisseur Alex Stockmann. Und der erste Film des Festivals, den ich nicht verstehe. Während seine Freundin Mireille in New York ein Praktikum in einem Architekturbüro absolviert, bleibt Samuel in Brüssel zurück. Er geht weiter seinem Job als Medikamentenkurier nach und hat über das Internet täglich Kontakt zu Mireille.

Dann hackt sich jemand in sein Netzwerk ein. Samuel versucht alles, um den virtuellen Eindringling zu vertreiben, doch der stellt sich als hartnäckig heraus. Samuel wird unterdessen immer paranoider und auch seine Beziehung zu Mirelle leidet.

Alex Stockmann schafft es, in „Pulsar“ eine realistische und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, die sich immer weiter steigert. Der Filmtitel ist dabei Programm: Strahlung, die nicht fassbar und willkürlich zuerst die Kommunikation lahmlegt und sich schließlich auf alle Lebensbereiche auswirkt.

Ganz verstanden habe ich „Pulsar“ wohl nicht, sehe das vielleicht am ehesten als Allegorie einer Liebesbeziehung. Obwohl Deutungen in viele Richtungen möglich sind. Nichtsdestotrotz hat mir die Stimmung gefallen und die ruhigen, realistischen und trotzdem eindringlichen und verstörenden Bilder, unterlegt mit Musik der üblichen Verdächtigen der Antwerpener Musikszene. Der Soundtrack dürfte interessant sein. Matthias Schoenarts überzeugt als Samuel. „Pulsar“ läuft noch einmal am 6. Oktober. (7/10)

Sonntag Abend ist „Tatort“-Zeit

Es geht erst am Abend mit den Publikumsvorstellungen weiter und ich freue mich mit meiner Liebsten auf den Kieler Tatort.

„Tatort: Borowski und der vierte Mann“ hat zwar noch keinen Sendetermin und der am 24. Oktober ausgestrahlte Borowski-Tatort spielt chronologisch noch davor, aber so dürfen Fans sich länger freuen. Komissar Borowski (Axel Milberg) hat es diesmal mit Leichenteilen zu tun, die so platziert werden, dass die Spur zu einer illustren Gesellschaft, die für die Schönen und Reichen illegale Jagden veranstaltet. Mitten im Kieler Winter grantelt sich Borowski durch einen Fall, in dem nichts so richtig zusammenpassen will.

Das Drehbuch basiert auf einer Idee von Henning Mankell. Claudia Garde führte auch bei diesem Kiel-Tatort wieder Regie und weiß ihren Komissar unterhaltsam zu inszenieren. Zwar ahne ich früh, wer wohl der Täter ist, aber die Krimi-Frage, wer es denn nun war, hat mich noch nie sonderlich interessiert. Der Charme liegt vielmehr in den Charakteren und Situationen. Alles in allem ein sehr unterhaltsamer Krimi-Abend. Neben den Mitwirkenden genoss auch Henning Mankell die Vorführung von „Tatort: Borowski und der vierte Mann“ auf der großen Leinwand. (7/10)

Danach war der Tag noch nicht gelaufen und ich begebe mich zu später Stunde in menschliche Abgründe, während sich deutsche Schauspielprominenz zum „Mauerschützen“ einfindet.

Mach doch mal einer Licht

Mit „Buried – lebendig begraben“ wartet noch ein besonderes Thriller-Highlight auf mich. Regisseur Rodrigo Cortés ist anwesend und fragt das Publikum, warum wir denn hier seien. Das sei ein Film über einen Mann in einer Kiste. Was gäbe es daran nicht zu verstehen?

Und tatsächlich gelingt es Cortés, den Sarg in den rund 90 Minuten nicht zu verlassen. Aber kurz zur Story: Paul Conroy (Ryan Reynolds) erwacht gefesselt in einer Holzkiste. Ausgerüstet mit einem Feuerzeug als einzige Lichtquelle wird er sich seiner Sitation bewusst: Er ist LKW-Fahrer im Irak und wurde entführt. Jetzt verlangen die Entführer Geld, das Paul mit Hilfe eines Handys organisieren muss.

„Buried“ ist ein klaustrophobisches Erlebnis in Echtzeit, das filmisch unglaublich konsequent und sicher umgesetzt ist und daher wohl seinesgleichen sucht. Reynolds überzeugt mit einer realistischen Darstellung, von der man freilich fast mehr hört als sieht. Beim Publikum kam der Film sehr gut an und die anschließende Fragestunde zeigte einen aufgeräumten und intelligenten Regisseur, der mit seinem zweiten Spielfilm wohl den internationalen Durchbruch geschafft haben wird.

So richtig panisch wurde mir in dem klimatisierten Saal mit Erfrischungsgetränk allerdings nicht zumute; vielleicht bin ich zu alt, mich darauf einzulassen. „Buried“ kommt am 4. November in die deutschen Kinos. Den Trailer gibt’s auf youtube. (7/10)

Der Sonntag war ein guter Kinotag, mal sehen wie’s morgen wird. Hier die aktuelle

Top 5 vom Filmfest Hamburg


1. „Spork“

2. „Das Labyrinth der Wörter“

3. „Oldboys“

4.„Buried“

5. „This Movie is Broken“

Aber ich bin sicher, das sich da noch Einiges ändert.  Bis morgen.